1. Der Alte


    Datum: 05.01.2023, Kategorien: Romantisch Autor: Freudenspender

    ... ihr schon begegnet sein, ohne es zu wissen, noch nicht zumindest."
    
    Ich weiß aber genau, dass er damit mich meint. Da es durchaus auch eine Anspielung auf mich war, musste er nur zurückrudern, weil er sich sonst verraten hätte. Ein Gefühl sagt mir, dass ich an seiner ersten etwas unbedachten Aussage, nicht ganz unschuldig bin. Als er mir auch noch einen ganz kurzen liebevollen Blick schenkt, bin ich mir sicher, er will es bei mir ruhig angehen lassen und er hält mich für die Richtige. Mir wird warm ums Herz, weil ich ihn auch mag, sehr sogar.
    
    "Wir sollten jetzt aber langsam gehen, sonst schaffen wir es nicht bis zum Abend, wieder zurück zu sein", reißt mich Alex aus meinen Überlegungen.
    
    "Du bist der Kapitän", grinse ich.
    
    "Dann los, Matrose", lacht er.
    
    Wir erheben uns gleichzeitig, verabschieden uns und machen uns auf den Weg zum Bootshaus.
    
    "Mit dir also muss man sich in Acht nehmen vor Racheaktionen", grinst er.
    
    "Und du arbeitest zu viel und stürzt dich zu schnell in eine Beziehung. So ein Frühstück kann ganz schön aufschlussreich sein", necke ich ihn.
    
    "Ich rate dir, du solltest nicht auf das Geschwätz meines Sohnes hören und dir ein eigenes Bild von den Dingen machen", antwortet er.
    
    Dabei ist er ernster, als ich gedacht hätte. Ich hatte noch einen Scherz gemacht und nun ist die Atmosphäre zwischen uns so ernst, wie noch nie. Ich schaue ihm aufmerksam in die Augen.
    
    "Ich mache mir immer mein eigenes Bild, keine Sorge!", versichere ich.
    
    "Da bin ...
    ... ich aber beruhigt."
    
    Den Rest des Weges legen wir schweigend zurück. Ich würde so gerne seine Hand nehmen, um mich ihm noch etwas näher zu fühlen, aber es geht nicht. Die anderen könnten uns vom Haus aus beobachten.
    
    Sein Verhalten verwundert mich. Rein nüchtern betrachtet sieht es so aus, als würde ihm sehr viel an mir liegen. Er hat sich offenbar Sorgen gemacht, ich könnte den Worten seines Sohnes Glauben schenken und befürchten, dass nach ein paar Monaten schon wieder alles vorbei sein könnte, sollten wir tatsächlich eine Beziehung eingehen. Er meint es tatsächlich ernst, einen anderen Schluss kann ich aus seinem Verhalten nicht ziehen. Zu meiner Verwunderung macht sich genau deshalb Erleichterung in mir breit.
    
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    Alex blickt noch einmal erwartungsvoll in meine Richtung, als er die Hand auf die Türklinke legt, um das Bootshaus zu betreten. In seinen Augen leuchtet kindliches Hoffen, das mich tief in meiner Seele berührt. Er wirkt nicht, wie ein gestandener Mann in der Blüte seiner Jahre. Er wirkt vielmehr, wie ein Teenager vor dem ersten Date, unsicher und besorgt, alles richtig zu machen.
    
    "Nun mach schon!", grinse ich ihn an. "Alles gut!"
    
    "Du meinst ...", will er etwas sagen.
    
    "Ich höre nicht auf das was Kevin sagt. Ich bin alt genug, mir selbst eine Meinung zu bilden", versichere ich ihm.
    
    "Woher hast du gewusst, was ich sagen will?", meint er unsicher. "Kannst du Gedanken lesen?"
    
    "Nein, nur in deinem Gesicht", antworte ich lachend.
    
    Nun lacht ...
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