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Pfarrhaus 01
Datum: 29.11.2023, Kategorien: Transen Autor: byGesa
Dies ist der erste Teil von Pfarrhaus, der ein Versuchsballon über sexuelle Identität ist. Vielleicht gibt es auch noch Teil 2. Pfarrhaus - Teil 1 Georg Maria bekommt Probleme Ich bin ernüchtert. Meine Zukunftsaussichten für die Jahre 1961 und 1962 sehe ich düster, obwohl mir meine spanisch-stämmige Mutter immer das Gegenteil prophezeit hat. Spätestens in zehn Monaten werde ich mein 18. Lebensjahr vollendet haben -- und ich habe noch immer kein Angebot für eine Aufnahme als Sänger in einem Chor oder eine Bühne. In Francos Spanien sah meine Zukunft für eine gewisse Zeit sehr positiv aus. Selbst noch vor gut einem Jahr in 1959 konnte ich damit rechnen, eine musikalische Karriere in der ‚katholischen Pracht' der spanischen Kirche einzuschlagen. Das hörte in 1960 mit dem offenen Brief der baskischen Priester auf. Meine arme verwitwete Mutter hatte nach dem spanischen Konkordat zwischen Staat und katholischer Kirche in 1953 darauf gesetzt, dass ein sängerisch begnadeter Knabe wie ich eine ähnlich gute Zukunft als Kastratensänger hätte, wie es früher der Fall in Italien gewesen war. Das wäre ein Weg gewesen, der Armut zu entkommen und gleichzeitig zu einer höheren Bildung zu kommen, die für die arme Landbevölkerung praktisch nicht erreichbar war. Meine Mutter hatte es also eigentlich gut mit mir gemeint als sie den Weg als Kastratensänger für mich gewählt hatte, aber nur in punkto Bildung hatte es einigermaßen funktioniert. Die Zukunft als Sänger verschwand mit der ...
... schwindenden Macht der Kirche dort genauso wie meine Hoden ein knappes Jahrzehnt früher eben dieser Zukunft geopfert wurden. Die Umstände hatten sich in der Welt eben geändert. Die Unterstützung der katholischen Kirche in Spanien durch den Diktator Franco begann schwächer zu werden. Das musikalische Comeback der Kastratenstimmen, die meine Mutter mit der Renaissance der Katholischen Kirche in Spanien ersehnte, zeichnete sich nicht ab. Auch diese Aussicht mit den deutschen Knabenchören, nach meinem Ausscheiden mit 17 Jahren aus dem spanischen Knabenchor, war nur ein Strohfeuer gewesen. Sobald ich 19 werden würde, war meine Mitgliedschaft auch in diesem katholischen Knabenchor beendet. Meine Zukunft sah nicht rosig aus. Da mein verstorbener Vater Deutscher war, konnte ich zumindest als Knabentenor in einen katholischen Knabenchor im Rheinland wechseln. Kost und Logis waren ebenso frei wie der Zugang zum Abitur im Internat. In Deutschland waren spanische Gastarbeiter seit 1960 willkommen. Und jetzt hatte ich in den Sommerferien im August 1961 noch einmal Luft, meine weiteren Chancen zu prüfen. Meine Mutter hatte in Ost-Berlin eine Stelle als Haushälterin bei einem Pfarrer ergattert. Der hatte wiederum Verbindungen zur Thomanerkirche in Leipzig. Der weltbekannte Thomanerchor erschien mir als eine letzte Chance, selbst wenn es ein evangelischer Chor war. Das zeigte wohl schon, wie verzweifelt ich nach Möglichkeiten suchte. Also machte ich mich auf den Weg nach Berlin mit einer ...