1. Die Ausstellung


    Datum: 18.04.2020, Kategorien: Kunst, Autor: Anonym

    Mein Agent und ich stellten die Bilder für die anstehende Ausstellung in Rostock zusammen. Einige Porträts, mehrere Aktbilder und Landschaften kamen in die engere Wahl. Ich war sehr aufgeregt, denn dies sollte meine erste Ausstellung in einer namhaften Galerie werden. Für die Vernissage hatten sich mehrere bekannte Kunstliebhaber aus der Region angesagt. Nachdem ich einen Nachwuchs-Kunstpreis in F. gewonnen hatte, der auch ein Stipendium umfasste, konnte ich ein halbes Jahr auf einem ehemaligen Bauernhof auf dem Lande ungestört arbeiten. Dabei waren viele der Bilder entstanden, die wir nun ausgewählt hatten. Dazu kamen einige frühere Bilder und einige ganz aktuelle. Wir brauchen nun noch einen Knüller für den Eröffnungsabend, so dass wir ein gutes Medienecho bekommen, sagte Marco Schmitz, mein Agent. Was stellst du dir denn vor, soll ich etwa meine Eröffnungsrede nackt halten? fragte ich scherzhaft. Das ist ja eine tolle Idee, entgegnete Marco. Würdest du das denn tun? Nein, natürlich nicht, das war nur so eine Schnapsidee. Wir fuhren fort, die Bilder auszuwählen und für den Abtransport bereit zu stellen.
    
    Am nächsten Tag trafen wir uns in der Galerie, um mit der Galeriechefin Frau Bergmann die Bilder auf die Ausstellungsräume zu verteilen. Wie sich herausstellte, gab es nur einen großen Raum, der durch Raumteiler Struktur erhielt. Viele Oberlichter gaben ein schönes, indirektes Licht.
    
    Wie haben Sie sich denn den Verlauf der Vernissage vorgestellt, Frau Austen? fragte ...
    ... Frau Bergmann. Nun, zunächst wird Herr Schmitz ein Paar Worte sagen, dann wollte ich einen kurzen Überblick geben, sagte ich. Na, das klingt ja ziemlich bieder, sagte Frau Bergmann, wie können wir denn den Abend etwas interessanter gestalten? Corinna hatte die spontane Idee, ihre Rede nackt zu halten, mischte sich Marco ein, aber leider hat sie dann einen Rückzieher gemacht. Mit einem Blick auf die inzwischen aufgehängten Bilder sagte Frau Bergmann, nun, da sind ja ziemlich viele Aktbilder dabei, das könnte tatsächlich ein Aufhänger sein, dass Sie Ihre Rede nackt halten. Sie können sich ja direkt danach wieder anziehen und müssen nicht den ganzen Abend unbekleidet herumlaufen. Das würde uns auf jeden Fall das Interesse der Presse sichern. Denken Sie mal darüber nach. Wir diskutierten noch viele Details, sprachen die Pressemitteilung durch, legten die Preise für die Bilder fest und verabredeten ein weiteres Treffen direkt vor der Eröffnung.
    
    Ich konnte die nächsten Nächte vor Aufregung kaum schlafen. Der Tag der Vernissage rückte unaufhaltsam näher. In der lokalen Presse waren einige wohlwollende Artikel erschienen, und Frau Bergmann erhielt noch mehrere Anfragen für Karten für den Abend. Freuen Sie sich, alle Plätze werden belegt sein, das Echo ist wirklich gut, sagte sie mir in einem Telefongespräch drei Tage vor der Eröffnung. Haben Sie sich den nun schon entschlossen? Ich wusste, sie spielte auf meinen spontanen Einfall an. Nein, noch nicht, gab ich zurück. Ich überlegte ...
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