1. Lia in der Stadt


    Datum: 16.06.2020, Kategorien: CMNF Autor: NicoS

    ... Geradezu friedvoll verlief der Besuch auf dem Wochenmarkt, denn hier hielt Lia sich zurück. Sie wusste aus leidvoller Erfahrung, dass sie bei Marktfrauen die Kürzere zog. Solange Hajo den Mund hielt, ihr allenfalls zustimmte, und den schweren Korb trug, war die Welt hier noch in Ordnung.
    
    Im Getränkemarkt kehrten dann wieder fast normale Verhältnisse ein ... "Wein? Du kannst dieses Zeug ja in der Kneipe bestellen, wenn du gerne Holzabbeizer in dich reinschüttest, aber im Haus brauchen wir das nicht. Es ist sauteuer, und ich kann den Geruch nicht ausstehen!" ... doch erst im Sportartikelgeschäft nahm das Unheil seinen endgültigen Lauf.
    
    "Ich will mir beim Sport-Meyer für den Sommer noch einen Bikini kaufen," hatte Lia verkündet. Schwungvoll rauschte sie in den Laden, schob einige Kunden unsanft beiseite, die nicht rasch genug Platz machten und stürzte sich auf die Galerie der winzigen, bunten Stofffähnchen. Nach einigem Ziehen und Prüfen lagen mehrere der Bikinis auf dem Boden ... "Lass die da ruhig liegen! Die will ich nicht, und fürs Aufhängen werden diese faule Kühe hier doch bezahlt!" ... doch drei hatten es in die engere Auswahl geschafft, und Lia zog sich mit ihrer Beute in eine Umkleidekabine zurück.
    
    Kurze Zeit später teilte ein nackter Arm den Vorhang.
    
    "Hey, Hajo, geh noch mal zu dem Ständer und bring mir den, aber zwei Nummern kleiner. Ich will schließlich nicht zelten!"
    
    Hajo hatte Glück. Er sah eine Verkäuferin. Die junge Frau war damit beschäftigt, ...
    ... die Ware wieder aufzuhängen. Sie hatte sehr wohl mitbekommen, wem sie diese Mühe verdankte. Hajo jedoch lächelte sie nur an und suchte ihm das Gewünschte heraus.
    
    "Warten Sie, ich komme mit. Falls es dann immer noch nicht passt, kann ich besser sehen, was Ihre Freundin vielleicht braucht."
    
    Was Lia beim Einkaufen nicht brauchte, waren Leute, die ihr Ratschläge gaben. Und das absolut letzte Thema, zu dem sie bereit war, Ratschläge anzuhören, war ihre Figur.
    
    "Ist das nicht etwas eng?" meinte die Verkäuferin ahnungslos angesichts der drallen Fleischmassen, in denen grell pinkfarbene Strings und briefmarkengroßen Stoffstücke tiefe Kerben bildeten. "Wollen Sie noch mal eine Nummer größer versuchen?"
    
    "Wollen Sie nicht mal versuchen, Ihren Mund zu halten?"
    
    Tatsächlich war die Verkäuferin zunächst sprachlos.
    
    "Entschuldigen Sie ..." begann sie nach einem Moment. Lia, die sich inzwischen in einem großen Spiegel bewunderte, fuhr herum.
    
    "Ich entschuldige gar nichts! Ich bin hier Kundin, und ich lass mich doch nicht von einer hergelaufenen Aushilfe beleidigen!"
    
    "Ich habe Sie nicht beleidigt, und wenn, tut es mir leid, aber ..."
    
    "Genau. Es tut ihnen leid, und gleich wird es Ihnen noch viel mehr leid tun! Hajo, hol den Geschäftsführer, aber zackig! Dann werden wir ja sehen ..."
    
    Das war gar nicht mehr nötig. Der Geschäftsführerin war weder das Vorspiel am Regal noch der Wortwechsel entgangen, und sie war schon auf dem Weg.
    
    "Kann ich Ihnen helfen? Ich bin die ...
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