1. Weeslower Chroniken V - 2002 - Jasmin - Kapitel 8 - Auf der Bühne


    Datum: 18.07.2020, Kategorien: Schamsituation Autor: nudin

    ... viel zu wenig Kraft zur Gegenwehr besaß. „Ich soll mich ausziehen? Vor allen Leuten?“ fragte sie ungläubig.
    
    "Ich weiß, es klingt verrückt. Aber ich kann die Leute da unten verstehen. Auch ich fände es wunderbar, wenn Sie noch einmal die nackte Muse dieses Projektes wären..."
    
    Sie schloss erneut die Augen. Kurz meldete sich ihre Vernunft: Du bist verrückt, wenn Du das tust… Und doch - Jasmin atmete tief durch. Sie hatte keine Wahl, das wusste sie. Auch wenn sie nicht wusste, wohin das alles führen sollte.
    
    Mittlerweile war es im Saal völlig ruhig geworden, alle schauten gebannt auf die Bühne zu der wunderhübschen, blonden jungen Frau, die sich im leisen Zwiegespräch mit Hans Weber befand, und warteten. Warteten tatsächlich geduldig und schweigend, was das hübsche Mädchen dort oben auf der Bühne wohl tun würde. Man hätte das Fallen einer Stecknadel hören können. Sogar der Landrat schwieg jetzt und starrte.
    
    Das achtzehnjährige Mädchen dort oben versuchte verzweifelt, so etwas wie eine innere Stimme zu hören, die ihm einen Rat geben könne. Was soll ich bloß tun? Ich könnte einfach von der Bühne gehen. Empört. Beleidigt. War es nicht eine gemeine Unverschämtheit, ein junges, irgendwie wehrloses Mädchen in aller Öffentlichkeit so zu nötigen, sich auszuziehen? Eine Rücksichtslosigkeit, es überhaupt auszurufen, geschweige denn, tatsächlich zu erwarten! Ich könnte jetzt genauso gut das Treppchen wieder hinunter steigen und gehen. Ich könnte mich zu Recht aufregen und ...
    ... ärgern. Und jeder im Saal würde das irgendwann, vielleicht mit dann wieder nüchternem Kopf, später auch nachvollziehen und verstehen können - und sich selbst dafür schämen. - Aber ich kann nicht. Ich wäre eine riesige Enttäuschung. Für alle hier. Für Louise. Für Nadine. Für Weber. Und wahrscheinlich sogar für mich selbst.
    
    "Erwecken Sie die Plakate zum Leben!" flüsterte leise Weber in ihr Ohr.
    
    Sie öffnete endlich ihre Augen, schaute auf das Plakat neben sich. Da stand sie. Splitternackt. Lebensgroß. Lebensecht. Mit diesen Plakaten, das wusste sie, umgab ihre Nacktheit kein Geheimnis mehr, alles lag offenbar. Das Plakat wirkte wie ein Spiegel. Das bin ich, so sehe ich aus. Jasmin Bischoff, achtzehn Jahre alt, aus Berlin. Mein Gesicht, mein Körper. Nackt, natürlich und ebenso echt.
    
    Schließlich wagte sie den Blick ins Publikum. Jetzt stand dort auch Louise. Ihre Blicke trafen sich. Louise, hilf mir! Doch Louise nickte ihrer bildhübschen Auszubildenden sogar noch aufmunternd zu, legte die Hände bittend aneinander. – Was hindert mich also noch? Meine Chefin jedenfalls nicht. Schamhaftigkeit? Schüchternheit? Ach Jasmin, zu spät, das hättest Du Dir vorher überlegen sollen.- ´Es ist doch nur Nacktheit´, hörte sie Aron im Geiste sagen. - Und hier ist es Deine Rolle, nackt zu sein, denn Du bist jetzt das Model.
    
    Das Gesicht und der Körper des `Eden`.
    
    Und es ist Weeslow! Dein Weeslow! Dein neues Zuhause!
    
    All das verging in wenigen Sekunden, für sie fühlte es sich wie Stunden ...
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