1. Der Alte


    Datum: 05.01.2023, Kategorien: Romantisch Autor: Freudenspender

    ... Tränen.
    
    "Was hast du nur?", frage ich. "Gönnst du deinem Vater sein Glück nicht?"
    
    "Sein Glück gönne ich ihm von Herzen, aber keine Hure, die es nur auf sein Geld abgesehen hat", fährt er mich an.
    
    "Kevin!"; fährt ihn sein Vater an.
    
    "Was Kevin, siehst du nicht, dass dich das Flittchen nur ausnutzt?"
    
    "Misch dich da nicht ein!", ermahnt ihn sein Vater.
    
    Ich aber bin am Boden zerstört. Dass er so über mich spricht, trifft mich hart. Ich bin kein Flittchen und ich habe es ganz bestimmt nicht auf das Geld abgesehen.
    
    "Ich glaube, es ist besser, wenn ich gehe", sage ich.
    
    Mehr bringe ich nicht hervor. Schon so bricht mir bei den letzten Worten die Stimme. Deshalb drehe ich mich hastig um und laufe hinauf ins Zimmer und beginne meine Sachen zu packen. Die Unterwäsche, die ich von Alex bekommen habe, lasse ich in der Kommode. Noch während ich beim Einpacken bin, kommt Alex ins Zimmer gestürzt.
    
    "Ich muss mich für das Verhalten meines Sohnes entschuldigen", meint er. Erst jetzt sieht er, was ich mache.
    
    "Du musst dich nicht entschuldigen, du kannst nichts dafür. Aber ich glaube, es ist besser, wenn wir uns trennen. So hat das keinen Sinn."
    
    "Was? Das kannst du mir nicht antun. Kevin wird sich beruhigen."
    
    "Das glaube ich weniger. Er steigert sich doch eher immer mehr in die Sache hinein. Ich weiß nicht, was ihn treibt, aber ich halte das nicht mehr aus."
    
    "Du willst aufgeben?"
    
    "Ich nehme nur zur Kenntnis, dass es keinen Sinn hat. Wir lieben uns, das ...
    ... weiß ich, aber manchmal reicht das nicht. Die ständigen Anfeindungen würden über kurz oder lang unser Glück sowieso zerstören. Deshalb möchte ich jetzt gehen. Noch kann ich unsere gemeinsame Zeit in guter Erinnerung behalten. Noch ist es eine Zeit, in der ich unglaublich glücklich war. Bevor ich sie nicht mehr so sehen kann, weil das Klima schon so sehr vergiftet ist, ziehe ich die Notbremse und glaube mir, irgendwann wären wir an dem Punkt."
    
    "Aber Vera, ich will das nicht", beschwört mich Alex.
    
    "Ich will es doch auch nicht. Und dennoch muss es sein."
    
    Ich nehme ihn in den Arm und schmiege mich fest an ihn. Dann stelle ich mich auf die Zehenspitzen und küsse ihn ein letztes Mal.
    
    "Bringst du mich bitte nach Hause?", frage ich.
    
    "Natürlich, wenn es unbedingt sein muss."
    
    "Es muss sein. Danke für alles. Ich werde unsere gemeinsame Zeit nie vergessen."
    
    "Ich auch nicht!", meint er. Eine tiefe Trauer liegt in diesen wenigen Worten.
    
    Ich packe schnell zu Ende, ziehe mich fertig an und wir machen uns auf den Weg. Alex parkt vor unserem Haus. Er hilft mir noch meine Tasche aus dem Kofferraum zu holen.
    
    "Es tut mir leid, dass es so gekommen ist", sage ich.
    
    "Mir tut es leid", antwortet er.
    
    Nach einem letzten, liebevollen Kuss auf seine Lippen verschwinde ich im Haus, verschwinde in meiner Wohnung, in meinem Zimmer, in meinem Bett, in meiner großen Leere.
    
    Kaum liege ich quer über mein Bett, beginnen auch schon die Tränen zu fließen. Es war so schwer für mich, ...
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