1. Der schwere Koffer ...


    Datum: 01.06.2023, Kategorien: Reif Autor: Alexander vonHeron

    ... geschafft. Oder in anderen Worten, aber nur in dem rhetorischen Sinn hätte ich es schon gern gesehen, wie sie das Ding mit seinen sicher dreißig Kilo durch die Gegend schleppt. Ohne Räder wie gesagt. Und nochmals - was war dann wirklich drinnen. Gewand, konnte nicht sein ... also doch Ziegel.
    
    Es donnerte erneut und derart nachhaltig, sodass es in der Un­terführung dröhnte und vibrierte.
    
    Das Licht flackerte, so wie es draußen blitzte. Was auch immer sich da zusammen braute, es würde heftig ausfallen, hatte ich den Ein­druck.
    
    »Ich denke, wir sollten uns beeilen!«, fragte ich nicht lange, ob sie einverstanden war, sondern nahm erneut den Koffer auf. Dies­mal die Treppen hoch zur unvermeidlichen Bahnhofstraße.
    
    »Vielleicht noch dreihundert Meter! Maximal!«, meinte sie.
    
    Ich fragte nicht nach, ob ihre Wohnung damit gemeint war oder aber mein Hotel. Die Distanz glaubte ich ihr auch nicht ganz, aber das war sekundär. Der Koffer wurde verdammt schwer und immer schwerer. Ein Königreich für Rollen, dachte ich innerlich.
    
    Ich wechselte die Hand, ahnte schon, dass sie erneut von einem schlechten Gewissen geplagt wurde.
    
    »Soll nicht doch - ich ...?«
    
    In der Ferne schien es mit einem Mal nochmals hell zu werden. Wind kam auf, durchtrieben schon von warmer Nässe des Regens, der gleich herab prasseln würde.
    
    »Nein - lieber ab in diese Allee ... unter die Bäume!«, rief ich, als die ersten schweren Tropfen fielen. Offenbar war es sogar die besag­te Allee, von der sie ...
    ... gesprochen hatte, dass sie darin wohnte. War nur noch die Kleinigkeit - ob am Anfang oder am Ende, denn sie schien lang zu sein. Sehr lang und dunkel auch bereits.
    
    An einer Kreuzung beim Platz des Friedens klapperte ein Schild im heftig aufkommenden Wind. Es quietschte und schaukelte, so­dass mein Blick dorthin gezogen wurde.
    
    »Hotel Erbprinz!« war in der einen Zeile zu lesen und in der darunter liegenden die Adresse »Kanalstraße ...«. Die Zahl war un­leserlich und der erste Buchstabe im Straßennamen war überpinselt worden. Mit Müh und Not verbiss ich mir ein lautes Lachen. Oh ja, das würde ich dann auch in meine Suchkategorie bei den Por­no­filmen aufnehmen, stand für mich nun erst recht fest.
    
    Es blitzte, es krachte. War es vorhin gerade noch hell gewesen, so schienen nun alle Lichter abgedreht zu sein. Keine Ahnung, ob es hier Straßenbeleuchtung gab - oder war sie ausgefallen. Fast schlagartig düster, erneut ein Windstoß, dann fing es an zu regnen.
    
    Regen - nein, das war nicht der richtige Begriff. Ein Wolken­bruch, als öffneten sich die Schleusen des Himmels. Ich wollte mich unter einen Baum an den Stamm heran pressen, um nicht voll­ends nass zu werden, aber sie rief mir zu.
    
    »Wirklich nur noch fünfzig Meter - das Haus ... da vorne!«
    
    Ich trabte hinter ihr her. Mein Arm schmerzte, fast schon von einem Krampf geplagt und mein Gesicht war nass: Schweiß und Re­gen. Ich blickte zu ihr hin. Sie hatte ihren Sommermantel hoch ge­zogen, über ihr Haar hinweg und so sah ich ...
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