Der Cassandra Komplex
Datum: 24.08.2023,
Kategorien:
Romantisch
Autor: postpartem
... nachvollziehbar, aber...
"Bevor du jetzt tiefer darüber nachdenkst, lass mich noch weitergehen. Durch die Geilheit habe ich dich schon an ein Konzept herangeführt, was ebenso die Erfahrung bestimmt, weil hier das wichtigste Moment ist, zuzulassen, dass man die Kontrolle verliert. Es geht also um Kontrolle. In diesem extremen Fall kommt man ohne sie aus, oder ist diese nur durch totalen Kontrollverlust erreichbar, in allen anderen Fällen bestimmt sich die Natur der Erfahrung dadurch, wer die Kontrolle übernimmt. Verstehst du? Lässt du mich ans Ruder, bestimme ich, wohin die Reise geht. Hast du ein bestimmtes Ziel, auf das du zusteuern möchtest, musst du die Bereitschaft haben, uns in Eigenverantwortung dorthin zu bringen und das auch tun."
"Ich denke, ich verstehe, was du damit sagen willst. Aber ist es nicht oft so, dass in einer Partnerschaft und auch in der Sexualität diese Rollen schon in gewisser Weise vorgegeben sind?"
"Exakt. So ist es, oft macht aber genau das die Sache irgendwann unbefriedigend. So war es für mich mit früheren Partnern, auch mit Jonas zum Teil. Ich habe ihnen oft, zu oft und zu gerne, die Kontrolle überlassen, weil ich mich dabei wohl gefühlt habe, glücklich darüber war, was sie mit mir angestellt haben, wie sie mich überrascht und befriedigt haben. Ich überließ ihnen nicht nur die Kontrolle, sondern meinen Körper, mich selbst. Da sind wir wieder bei Hingabe: Ich gab mich ihnen und dem Moment völlig hin. Das ist für eine Frau eine ...
... natürliche Regung, oder zumindest etwas, was viele von uns als die natürliche Rolle akzeptiert und internalisiert haben."
"Aber auch verkürzend, verkleinernd, ein Korsett", entwich meine Schlussfolgerung ohne vorherigen Gedankengang.
"Genau. Ich liebe und brauche es genauso, die Kontrolle übernehmen zu können, die Art der Erfahrung zu bestimmen, mich in den Mittelpunkt zu stellen, was nicht heißen muss, dass es dann dabei nur um mich und meine Lust geht, sondern um das Bestimmen des Geschehens an sich. Wenn der Impuls, die Richtung des Moments, von mir ausgeht, braucht es von der anderen Seite nicht das Zurücknehmen, sondern nur die Hingabe an die Richtungsänderung, die Offenheit für den Impuls, die Fähigkeit sich leiten zu lassen, weil die Bewegung sonst unmöglich ist."
"Ich denke, ich kann dir folgen."
"Vielleicht, vielleicht denkst du das auch nur, weil du die Praxis noch nicht kennst. Das begreife ich auch als Chance. Du wirst Sex fast völlig unvoreingenommen erleben, weil dir die prägenden Vorerfahrungen fehlen. Du hast keine zehn oder mehr Beziehungen hinter dir, wo du immer der starke Mann, der den Ablauf kontrolliert, sein wolltest oder auch sein musstest, weil es ist oft nur eine Reaktion auf die Erwartungshaltung des anderen und seiner eigenen. Muster, von außen herangetragen, die dann als bewährt erstarren und verknöchern, bis jeder Versuch sie aufzubrechen, ein Wagnis, ein Abenteuer ist. Was durchaus auch befriedigend sein kann, wenn es zum Durchbruch und zur ...