1. Der Cassandra Komplex


    Datum: 24.08.2023, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... war der schönste Sex, den ich jemals hatte, das sage ich ganz ehrlich. Es wurde leider nie mehr so, wie mit ihr."
    
    "Hast du nicht versucht, sie wiederzusehen?"
    
    "Doch, sogar schon einige Tage später. Sie hatte ihren freien Tag, wie mir die Dame erklärte, die mich dann beschäftigte. Bei ihr war alles geschauspielert. Und nicht mal besonders gut. Sie war deutlich jünger, vielleicht in meinem Alter damals, oder marginal älter. Vergleichbar war eigentlich nur die Freude über meine Getränkewahl."
    
    "Da warst du verständlicherweise enttäuscht", steuerte Claudia bei.
    
    "Ja, das war ich. Und pleite. So mal eben 500 Mark in einer Woche auszugeben war in meinem Budget auf Dauer nicht drin. Ich bekam andere Empfehlungen von meinen Kameraden, die deutlich preisgünstiger waren. Die aber gleichfalls irgendwie unbefriedigend waren."
    
    "Verstehe. Du sagtest, zu einer bestimmten Zeit hast du bewusst damit aufgehört, war das, weil du am Ende doch nicht bekommen hast, was du wirklich wolltest?"
    
    "Das spielte sicher auch eine Rolle, aber ich war halt irgendwann kein dummer Junge mehr. Und hatte mich schon damals, bei der Frau, die mich so mochte, gefragt, was einen so guten Menschen wie sie zu dieser Arbeit treibt. Sie habe ich das natürlich nicht zu fragen gewagt. Ein paar andere später schon, manche haben gar nicht geantwortet, eine meinte, mit keinem anderen Job könne sie so viel Geld verdienen. Ich fragte mich aber, was mir wirklich alles nicht geantwortet wurde. Was bei manchen ...
    ... tatsächlich dahinterstand. Vielleicht ein brutaler Zuhälter, oder eine Drogenabhängigkeit, Schulden, Armut, bei einer Asiatin hatte ich sogar den Verdacht des Menschenhandels. Dass ich so indirekt mit für deren Leid verantwortlich war. Es beschäftigte mich eine Weile und als ich wieder einmal vor einem solchen Etablissement parkte, konnte ich auf einmal nicht mehr aussteigen. Saß eine Weile nur da und hatte dann einfach die Gewissheit, dass ich das nicht mehr wollte."
    
    Claudia sah mich nachdenklich an. Dann nickte sie unmerklich, enthielt sich aber jeder Äußerung.
    
    "Nun, das war kurz nach meinem dreißigsten Geburtstag. Seither habe ich das nie mehr getan. Es fehlt mir auch nicht, um ganz ehrlich zu sein. Ich denke sehr selten daran und...", nun stockte ich kurz, weil ich mir nicht sicher war, ob das nächste Geständnis nicht doch etwas zu viel von mir preisgab.
    
    "Und?", bohrte sie nach kurzer Zeit nach.
    
    "Ehm... ganz ehrlich, es mir im Zuge einer schönen Fantasie, oder angeregt durch gute Literatur selbst zu besorgen, war oft befriedigender als dieses käufliche Abbild des Echten."
    
    "Verstehe ich, absolut. Selbstbefriedigung kann sehr schön sein und reicht oft völlig aus. Ist ja immerhin Sex mit jemandem, den man liebt", meinte sie dann grinsend.
    
    Ja, den Spruch kannte ich auch. So falsch war er gar nicht.
    
    "So, jetzt bist du über mein gesamtes Sexualleben völlig im Bilde."
    
    Sie schaute mich mit einem Blick an, den ich nicht richtig einordnen konnte.
    
    "Das ist ...
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