Der Zauberring
Datum: 18.08.2019,
Kategorien:
Humor
Autor: SaBiLo68
Der Zauberring
(Russisches Volksmärchen)
Es war einmal ein Dorf, in dem drei Brüder lebten. Als der Zeitpunkt kam, da sie nicht mehr zusammen leben wollten, beschlossen sie, ihre Erbschaft aufzuteilen. Jedoch war das Glück nicht allen hold. Es ergab sich, daß der große Teil der Habe an die beiden älteren Brüder fiel, während für den jüngsten so gut wie nichts übrigblieb.
Alle drei waren Junggesellen. Als sie eines Tages zu dritt auf der Straße wanderten, beschlossen sie, daß es Zeit sei zu heiraten.
„Ihr braucht euch ja nicht zu sorgen“, sprach der dritte Bruder, „denn ihr seid reich und ihr werdet ein reiches Weib finden. Aber was wird aus mir? Ich bin arm, und was mein Vermögen anbelangt, so habe ich nichts, als meinen Schwanz, der bis zum Knie reicht.“
Zufällig geschah es, daß gerade eine Kaufmannstochter des Weges kam. Sie vernahm die Rede der drei Brüder und sagte zu sich:
„Oh! Könnte ich nur diesen jungen Mann heiraten! Er hat einen Schwanz, der bis zum Knie reicht!“
Alsbald heirateten die älteren Brüder, der jüngste jedoch blieb ledig.
Alldieweil wurde die Kaufmannstochter vom Gedanken geplagt, diesen Jüngling zu ehelichen. Viele ehrbare Kaufleute baten um ihre Hand, aber sie verschmähte sie alle.
„Den einzigen Gatten, den ich möchte, ist der Jüngling Langschwanz,“ sprach sie.
Ihre Eltern nahmen sie ins Gebet.
„Was glaubst du denn, du dummes Ding? Sei vernünftig! Wie kannst du denn einen pfenniglosen Tölpel zum Mann wollen?“
„Macht ...
... euch darum keine Gedanken“, antwortete sie, „ihr müsst ja nicht mit ihm leben.“
Dann zog sie eine alte Kupplerin zu Rate und schickte sie aus, um den Jüngling zu holen, auf daß er um ihre Hand bitten möchte.
Die Kupplerin ging zum Haus des Bauern und sprach zu ihm:
„Nun höre gut zu, mein lieber Junge! Was quälst du dich ab mit den ärmlichen Verhältnissen? Mach dich auf den Weg und bitte die Kaufmannstochter um ihre Hand. Sie ist seit langem in Liebe zu dir entbrannt und möchte dich gerne zum Mann.“
Staunend vernahm's der Jüngling. Er zog seinen Sonntagsrock an, setzte eine neue Mütze auf und ging geradewegs zum Vater des Mädchens. Schon von Ferne erkannte ihn die Kaufmannstochter wieder: Das also war der Mann mit dem Schwanz bis zum Knie. So sehr bestürmte sie nun ihren Vater, daß die Eltern ihre Zustimmung zur Ehe gaben.
In der Hochzeitsnacht aber entdeckte die Braut zu ihrem Schrecken, daß der Schwanz ihres Gatten nicht viel länger als ein Fingerlein war.
„Du Schuft, du Betrüger!“ schrie sie.
„Du hast geprahlt, daß dein Schwanz bis zum Knie reicht. Wo ist er geblieben?“
„Oh liebstes Weib, du musst wissen, daß ich vor der Ehe bettelarm war. Da ich kein Geld hatte, um das Hochzeitsmahl zu bezahlen, brachte ich meinen Schwanz zum Pfänder.“
„Und wieviel hast du dafür bekommen?“
„Nicht viel, 50 Rubel.“
„Also gut. Morgen werde ich meine Mutter um 50 Rubel bitten, dann kannst du deinen Schwanz wieder einlösen. Wage dich ohne diesen Schwanz ja nie ...