1. Sabbatical


    Datum: 22.11.2019, Kategorien: Transen Autor: EmmetttBrown

    ... Schlafengehen noch eine halbe Stunde Zeit für ein Glas Wein hatte, saß er auf seinem Balkon. Seine Nachbarin hatte dieselbe Angewohnheit und saßen sie sich in den beiden Häuserreihen gegenüber, prosteten sich zu, rauchten Zigaretten gemeinsam, ohne auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. Einmal hatte er sie vor dem Haus getroffen, hatte zu dem Zeitpunkt aber das Handy am Ohr, der Auftraggeber verlangte seine Aufmerksamkeit, und so schaffte er es nur, ihr zuzunicken, beide schenkten sich kurz ein Lächeln. Sie schien etwas jünger zu sein, als er, hatte schulterlange schwarze Haare. Wenn sie lächelte, zeigten sich ihre süßen Grübchen, sie schien Sport zu treiben, war sehr athletisch, ein kleines A-, vielleicht B-Körbchen und einen sehr einladenden Hintern, wie er feststellen durfte. „Ja, schon ein geiler Arsch“, dachte er und lächelte. Seit knapp einer Woche allerdings vermissten er sie, vorgestern konnte er durchs Fenster erkennen, dass die Wohnung leergeräumt war, sie war ausgezogen. Früher hätte er sicherlich nichts anbrennen lassen, heute war er traurig, nicht, weil er eine Chance verpasst hatte, sondern, weil er sie sehr gerne kennengelernt hätte. Obwohl er sie nicht kannte, vermisste er sie. Er spürte eine große Traurigkeit in sich. War es das Alles wert? Er seufzte.
    
    Er stand auf, um nach Hause zu kommen, ein Glas Wein zu trinken, doch diesmal leider allein, um dann nach so langer Zeit endlich mal ohne Wecker und Alarm am Handy ausschlafen zu können. Er stoppte am ...
    ... nahegelegenen Teich und zündete sich noch eine Zigarette an, das Bild war einfach zu schön. Der Mond spiegelte sich im Wasser, welches er an Hamburg so liebte. Ob Hafen, Elbe, die Kanäle, die Parks, wann immer er Zeit hatte, zog es ihn irgendwo zum Wasser: er liebte diese Stadt. Hier wollte er alt werden, mit den wunderbaren Menschen und dem Flair, den die Stadt verströmte. Die Hamburger bezeichneten die Stadt durchaus arrogant als „Schönste Stadt der Welt.“ Doch für ihn stimmte es einfach: es passte einfach alles, von den Sehenswürdigkeiten bis zu den kleinen schönen Dingen, wie den Parks in den Wohngegenden. Und diesen wunderbaren Menschen: herzensgut, aber nie aufdringlich.
    
    Chris wollte gerade wieder gehen, doch dann stockte er plötzlich. Was war das? Er hörte jemanden weinen, eine Frau? Er schaute ins Dunkle, suchte das Ufer des Teichs ab, es kam von der anderen Seite. Er überlegte kurz, zu gehen, doch dann entschied er sich anders. Er ging vorsichtig um den Teich und sah kurze Zeit schemenhaft eine Frau auf einer Isomatte und mit Decke am Rand des Teiches sitzen. Er trat näher. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er besorgt. Sie hob ihren Kopf und beide waren im nächsten Moment geschockt. Es war seine Nachbarin, ihr so schönes und bezauberndes Gesicht war verzerrt, Tränen rannen die Wangen herab. Er hörte ihre Stimme: „Mir kann Keiner mehr helfen“, doch nahm er die Worte kaum war, so voller Sorge war er auf einmal. Er sah einen Koffer, offensichtlich ihre Habseligkeiten, ...
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