1. Ausgrabungen


    Datum: 25.07.2020, Kategorien: Reif Autor: postpartem

    ... nur einmal dort bei einem Dig gewesen, selbst noch als Student, danach bestimmt zwanzig Mal als Privatperson. Selbstbestimmt dort eine Ausgrabung leiten zu dürfen, war über mein gesamtes professionelles Leben hinweg mein größter Traum gewesen.
    
    Daher wohl mein extremer Absturz, als ich die schlechten Neuigkeiten bekam. Das Taxi hielt, um die verbliebene Teilnehmerin aufzusammeln, die rauchend in viel zu engen Shorts und einem Top, das kaum ihre Brüste bedeckte, am Wegesrand neben ihrem Rucksack auf uns gewartet hatte. Der Taxifahrer pfiff etwas unpassend und warf ihren Rucksack dann in den Kofferraum, während sie sich auf dem Rücksitz einfand.
    
    "Hey Jonesey, es geht los! Es geht fucking los!", schallte es von diesem augenblicklich zu mir.
    
    Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen, auch wenn ich ihr bereits hundertmal gesagt hatte, dass sie mich so nicht nennen sollte. Der Taxifahrer stieg zu und fuhr los, allerdings nicht bevor er Annalena noch gründlich im Rückspiegel bewundert hatte.
    
    "Das ist so geil! Bella Italia, wir kommen!", setzte sie ihre Begeisterungsstürme fort, während der Taxifahrer mir einen merkwürdigen Blick schenkte. Ich glaube, ich wurde wohl etwas rot.
    
    "Sie ist meine Studentin", bemerkte ich eigentlich überflüssigerweise. "Wir sind Archäologen und fliegen nach Neapel."
    
    "Na klar", gab er zurück und konzentrierte sich auf den Verkehr.
    
    Der Flug verging wie im solchen, während ich Annalena von meinen vorherigen Besuchen und dem Dig aus ...
    ... meiner Studienzeit erzählte. Sie war immer noch aufgekratzt, hörte aber konzentriert zu und strahlte mich mit ihren großen grauen Augen unentwegt an.
    
    "Ach, noch was", schloss ich an eine weitere Erzählung an.
    
    "Hm?"
    
    "Ich heiße Thomas. Nicht Jonesey, nicht Indiana, Thomas."
    
    "Hä? Indianer?"
    
    Aha, bei solchen Gelegenheiten merkt man dann erst wieder, wie alt man ist. Wenn solch populärkulturellen Anspielungen ins Nichts fallen.
    
    "Nicht wichtig, da du mich ja schon ewig lange duzt, obwohl ich mich nicht erinnern kann, dir das angeboten zu haben, und wir die nächsten vier Monate fast ausschließlich miteinander verbringen werden..."
    
    "Alles klar Tom, du kannst mich Lenny nennen, kein Schwein sagt Annalena zu mir... Tom Jones, war das nicht der Drummer von irgendeiner Band?"
    
    Ich seufzte emphatisch und resignierte ohne weiteren Widerspruch. Okay. Dann war ich eben Tom. So hatte mich zuletzt mein amerikanischer Vater genannt, der verstarb, als ich zehn Jahre alt war. Für meine Mutter und alle anderen war ich immer nur Thomas gewesen. Auf Nachfrage erklärte ich Lenny dann auch noch die Herkunft meines Namens, als wir auch schon auf die bevorstehende Landung aufmerksam gemacht wurden.
    
    Ich beeilte mich, ihr den im Anflug sichtbaren Vesuv zu zeigen, drückte mich dabei so eng an sie, wie das die bereits angelegten Gurte ermöglichten.
    
    "Boah", war ihr einziger Kommentar, dann küsste sie mich verwirrenderweise auf die Wange und ergriff danach meine Hand. Das hatte sie ...
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