Ausweglos - Teil 3
Datum: 05.04.2021,
Kategorien:
Schamsituation
Autor: nina44
... eine wunderschöne Stadt. Aber Ulm hat hässliche Ecken und strapaziert den Besucher mit architektonischen Zumutungen, die Alteingesessene mehrheitlich wohl als gegeben und völlig normal hinnehmen. Die Uni gehört dazu. Und in jedem Falle auch der Hauptbahnhof. Über den Haupteingang des für sich allein schon furchtbaren Hauptgebäudes wurde – vielleicht im Versuch der Welt zu zeigen, in welch moderner, vom Freigeist geprägter Stadt sie gerade ankommt – ein filigran freischwingendes Glasdach „geklebt“. Unglaubliche Kombination! Wie immer lasse ich Contessa nicht an den Fahrradständern, sondern jongliere sie durch die Menschenmassen. Heute allerdings nicht in Richtung der Fernbahnsteige, die Ausgangspunkt meiner 14täglichen Reisen Richtung Norden, zu meiner Mutter, sind.
Heute biege ich vor den Bahnsteigen ab und bewege mich in den Schließfachbereich: Dieser erscheint inmitten des Menschengewühls wie eine Ruhezone. Die in Hunderterblöcken gruppierten Fächer bilden eine Wand in Richtung der großen Bahnhofshalle. Meine Augen überfliegen die schwarzen, zerkratzten Nummern auf den ehemals stahlblauen Metalltüren. Die 66 findet sich in der unteren Hälfte des ersten Blocks. Ich brauche einige Zeit um durchzuatmen. Contessa vorsichtig neben mir an die Schließfachgallerie lehnend, krame ich den Schlüssel aus der Jeans. Ich bin fast allein, als der Schlüssel in das Schloss gleitet und die sich unangenehm quietschende Tür freigibt. Ich muss in die Hocke gehen um das Fach ganz einsehe zu ...
... können. Im Dämmerschein der künstlichen Beleuchtung erkenne ich einen schwarzen Plastebeutel auf dem einer der teuflischen Umschläge prangt. Beschriftet wie die ersten beiden. Dieser enthält auf der Rückseite aber ergänzende Informationen: „Umschlag und Tüte nehmen und auf der Toilette öffnen! Anweisungen befolgen! Schießfach verschließen! Schlüssel mitnehmen!“
Wieder der Würgereiz. Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand. Tief und ruhig atmen. Gleichmäßig. Tief und ruhig. „Geht es Ihnen gut?“ fragt besorgt eine ältere freundlich blickende Dame. Ich nicke nur und sie schleicht weiter, mich aber aus den Augenwinkeln unter Kontrolle behaltend, als befürchte Sie, dass ich gleich zusammensinke. Doch ich fasse mich. Mein Atem geht wieder ruhiger. Alle Kraft zusammennehmend greife ich Tüte und Umschlag und bewege mich in Richtung der Toiletten, nicht ohne der Dame, die gerade eine Tasche aus einem anderen Schließfach holt, noch einmal nett zuzuwinken.
Nachdem es mich einige Mühe gekostet hat, Contessa sicher abzustellen gehe, besser gesagt schleiche ich auf die Damentoilette. Eine mürrische Türkin mit beachtlichem Körpervolumen bewacht, auf einem angesichts ihres Gewichts bemitleidenswerten Stuhl hockend den Eingang und den Teller auf dem einige 50-Cent-Stücke liegen. Ich grüße freundlich, ohne dafür eine Reaktion zu bekommen.
Trotz meiner furchtbaren Lage atme ich etwas erleichtert auf, nachdem ich die Kabinentür hinter mir verschlossen habe. Der Drachen am Eingang ...