1. Die Mitte des Universums Ch. 061


    Datum: 08.04.2021, Kategorien: Erstes Mal Autor: byBenGarland

    61. Kapitel -- Manchem Abschied wohnt auch ein Zauber inne ...
    
    Ende August/Anfang September war stets die Zeit, meine ehemaligen Schüler wiederzusehen, da sie sich entweder nun zum Studium -- meist nach Saigon -- aufmachten oder Semesterferien hatten und somit wieder einmal in der Stadt waren. Letzten Montag hatte ich mich mit fünf oder sechs getroffen, die gerade ihre Abschlussprüfungen hinter sich gebracht hatten und nun aufgeregt ihrem ersten Lebensabschnitt, den sie größtenteils allein bewältigen mussten, entgegenfieberten: Uni, erste eigene Bude, erste Liebe, und -- wahrscheinlich -- auch zum ersten Mal Sex.
    
    Von denen, die eingeladen gewesen waren, hatte sich ungefähr die Hälfte eingefunden. Die witzigste junge Frau, die ich schon immer gemocht hatte, hatte andere Verpflichtungen gehabt, während zwei andere, die beide eher zurückhaltend, aber -- wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise -- schön waren, hatten sich genauso wenig blicken lassen. Wer weiß, was dazwischengekommen war. Ich wollte nicht zu neugierig sein und nachhaken, wieso sie sich das Kaffeetrinken mit mir und den anderen hatten entgehen lassen. Irgendwann würden wir schon wieder einmal voneinander hören.
    
    Völlig überraschend schrieb mir allerdings eine der beiden Schönen dann doch noch und schlug vor, dass wir uns noch einmal treffen sollten, bevor auch sie sich nach Saigon an die Uni begeben würde. Anna, so ihr Name an unserer Englischschule, war sehr ruhig, ein wenig scheu und eher unauffällig ...
    ... schön. Dafür aber sehr. Und super-schlank. Sie erinnerte mich ziemlich an Tuyet, die übrigens mittlerweile einen festen Freund hatte und über die wegen der Corona-Krise gekürzten Semesterferien gleich in Saigon geblieben war.
    
    Ich hatte Anna seit über einem Dreivierteljahr nicht gesehen. Ab und zu lud sie mal ein Foto von sich auf Facebook hoch, aber ansonsten wusste ich nicht, wie es ihr ergangen war und was sie so machte. Soweit ich mich erinnern konnte, würde sie nun bald an derHo-Chi-Minh-University of Economics Marketing studieren. Anna hatte immer nur wenig von sich preisgegeben. Sie las wohl viel und mochte -- wie so viele andere asiatische Mädchen ihrer Generation -- BTS, eine koreanische Boygroup. Anna hatte eine zweieiige Zwillingsschwester, die aber völlig anders als sie aussah: sie war grösser und kräftiger, während Anna, wie gesagt, zart und leicht wie eine Feder war.
    
    Ich war mit meiner Familie gerade in einem Café gewesen, als Anna mir geschrieben hatte, dass sie sich mit mir treffen wollte. Als ich sie aber einlud, doch einfach rumzukommen und sich zu uns zu setzen, erwiderte sie, dass sie es bevorzugen würde, mit mir allein zu sein. Nun, in gewisser Weise war mir das auch lieber; ich hatte irgendwie gehofft, dass Anna das sagen würde, es ihr aber nicht vorschlagen wollen. Wahrscheinlich war sie deswegen auch vorigen Montag nicht mit den anderen erschienen.
    
    Anna. Gertenschlanke, graziöse, zarte Anna. Ich musste gestehen, dass ich, seit sie mir geschrieben ...
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