Die Mitte des Universums Ch. 061
Datum: 08.04.2021,
Kategorien:
Erstes Mal
Autor: byBenGarland
... hatte, nun jeden Tag an sie dachte. Da wir uns lange nicht gesehen hatten, kramte ich tief in meinen Erinnerungen: In der Neunten hatte sie meist schwarz getragen, ein bisschen wie ein Emo-Mädchen. Blass genug dafür war sie auch. In der Zehnten und Elften hatte sie eher grau und dunkelgelb bevorzugt, aber schon noch manchmal ein schwarzes Kleid angehabt. Ich erinnerte mich an eines, das auf den Schultern mehrere vertikale weiße Streifen hatte, ein bisschen wie ein kleines Klavier. Obwohl wir nie viel miteinander geredet hatten, hatten wir uns aber irgendwie immer gemocht: Ich hatte durchaus den Eindruck, dass wir uns auf einer tieferen (oder höheren) Ebene auch ohne Worte verstanden.
Je länger ich kramte, kamen noch ein paar weitere kleine Szenen oder Details, an die ich mich erinnern konnte, wieder ans Licht. Anna hatte letztlich das beste IELTS-Examen hingelegt, obwohl sie einen der beiden Essays etwas verhauen hatte und nicht fertig geworden war. Bei den Hör- und Textverständnisteilen hatte sie aber abgeräumt. Bislang waren wir aber noch nie miteinander Kaffeetrinken gewesen, nicht einmal, wenn ich ihre Mitschüler in ein Café eingeladen hatte. Sie schien überhaupt nicht weiter mit den anderen abzuhängen, während sie bei uns an der Schule war. Sie machte ihr Ding, und blieb so vielen von uns ein Rätsel. Je mehr ich über sie nachdachte, umso weniger schien ich von ihr zu wissen.
Weil Anna mich durchaus an Tuyet erinnerte, schlug ich ihr vor, uns doch im CaféHen Ho zu ...
... treffen, wo ich mit Tuyet ein-, zweimal gewesen war.Hen Ho bedeutete ‚Dating', was Anna natürlich wusste. Das Café hatte einen Goldfischteich, jede Menge Büsche und Blumen, ein paar niedliche asiatische Brückchen, aber vor allem mehrere stille Ecken, wo man ziemlich ungestört war. Würde sie das Café ablehnen, wusste ich, dass es mit dem Mit-mir-Alleinsein nicht viel auf sich hatte. Sagte sie zu, konnte die Stunde mit ihr vielleicht sogar recht sinnlich werden.
Ein etwas seltsames, aber auch pikantes Detail Anna betreffend fiel mir nun doch noch ein, während der paar Tage, die uns zwischen ihrem ‚Ja' und dem eigentlichen Date noch blieben: Ungefähr ab dem Ende der zehnten Klasse hatte Anna im Unterricht manchmal minutenlang mit den Beinen schnell auf- und abgewippt: mit ihren Füssen nur auf dem Ballen auf dem kalten Fußboden abgestützt, hatten ihre Beine leicht geöffnet schnell wie von selbst gezuckt, ein wenig, als ob die Kälte der Fliesen ihr zu sehr in die Knochen ging. Allerdings sie hatte sich nie beschwert, dass die Klimaanlage zu kalt blies.
Meine Schüler zogen immer ihre Schuhe aus, bevor sie ins Klassenzimmer gingen, aber den anderen schien es nie zu kalt gewesen zu sein. Die meisten trugen eh' Jeans, aber Anna hatte eigentlich immer Kleider und definitiv niemals Socken oder Strümpfe getragen. Auch nicht im Winter. Und, so dünn, wie sie war, war ihr sicher schneller kalt, als allen anderen. Doch hatte ich auch manchmal vermutet, dass sie vielleicht erregt gewesen ...