1. Das indische Zicklein


    Datum: 09.01.2023, Kategorien: Romantisch Autor: Jessi

    ... ruhig, lass alles raus, dann geht es dir besser." Kurz darauf begann Shiva zu erzählen.
    
    "Ich komme aus Jaiselmer in Rajasthan im Norden von Indien. Meine Eltern sind sehr reich. Ich habe noch 6 Brüder und eine große Schwester. Meine Schwester wurde weggejagt, ich weiß auch nicht warum. Ich musste mit 16 Jahren nach Mumbai zum Studieren. Meine Eltern haben festgelegt, dass ich Germanistik studieren muss, da mein Vater viel mit Deutschland zu tun hatte, und ich die Arbeit für ihn machen soll. In Mumbai wurde ich mit meinem Lehrer verheiratet. Er war 52 Jahre alt. Mit noch nicht einmal 18 Jahren bekam ich Siri. Ich machte alle Arbeiten zu Hause und studierte noch nebenbei. Als ich im 7. Semester war, ist mein Mann tödlich verunglückt. Ich war noch nicht einmal 22 Jahre alt. Da ich keinen Sohn hatte, stand für mich fest, dass ich jetzt auch sterben muss, denn Frauen sind nichts wert, sie sind Wesen von - angeborener Schuld und böser Vorbedeutung. Stirbt ein Mann, so, ist seine Witwe schuld an seinem Tod, selbst wenn er achtzig und seine Kind-Frau erst zehn war.
    
    Für den Rest ihres Lebens kann deshalb eine Frau von jedem Mann verachtet, versklavt, misshandelt und missbraucht werden. Sati so sagen die Brahmanen, der Witwe sexuelle Versuchungen, doch in Wahrheit ist Sati für die Witwen, eine Gelegenheit, der Hölle ihres Witwen-Daseins zu entgehen. Nach wie vor hält die Mehrheit der Inder die Unterdrückung der Witwen für richtig."
    
    Gebannt lauschte Caro den Ausführungen. "Was ...
    ... ist eine Sati?"
    
    "Nur Sati macht es Frauen in Indien möglich, ein einziges Mal in ihrem Leben im Mittelpunkt zu stehen, wenn sie für den Flammentod vorbereitet werden. Sie werden gebadet und gesalbt, noch einmal in ihren roten Hochzeitssari gekleidet, mit Schmuck behangen. Aber wehe, wenn sie jammert und stöhnt. Dann war alles vergeblich. Nach Hause - zurückkehren kann die Frau ebenfalls nicht mehr. Einmal ist sie sozusagen an die Familie des Mannes verkauft worden. Da bleibt als Ausweg nur der Tod, Selbstmord oder Mord. Frauen als lebende Fackeln gehören zum täglichen Leben in Indien. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo eine Frau angezündet wird. Nur nennt man es heute nicht mehr Sati, sondern spricht von Selbstmord."
    
    Carola ist erschüttert und musste mit ihren Tränen kämpfen. Sie stellte sich bildlich vor wie Siri und Shiva lebendigen Leibes auf dem Scheiterhaufen verbrennen würden.
    
    "Ich wollte noch nicht sterben und meine kleine Siri sollte auch leben. Durch Zufall hat uns jemand von "Love commando india" entdeckt und uns in Sicherheit gebracht. Dort habe ich auch ganz kurz meine große Schwester getroffen. Sie sagte mir, dass ich außer Landes gehen muss. Ich wurde dann im Hafen von Mumbai auf ein Schiff geschmuggelt und bin dann irgendwann in Hamburg angekommen. Von dort aus sind wir dann bei Max im Haus gelandet. Siri und ich waren zu erschöpft, um weiterzuziehen."
    
    Die Waschmaschine war fertig. Völlig durch den Wind saß Caro da und hielt Shiva im Arm. ...
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