1. Die Verkündigung


    Datum: 18.06.2019, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: byRomeoReloaded

    ... hätte sie doch schneller außen herum laufen können, statt sich hier schrittweise vorzutasten. Plötzlich wurde es heller. Sie konnte den ganzen Raum sehen, durch den sie schritt. Überrascht blickte Maria sich um. Helles Licht fiel senkrecht von oben durch einen leeren Aufzugsschacht mitten ins Gebäude. Der Schacht glänzte regelrecht im Sonnenschein, das Licht vor ihren Füßen war nur ein schwacher Abglanz davon.
    
    Die Wolken mussten aufgerissen sein und die Sonne durch eine kleine Lücke scheinen. Aber so genau in den Schacht? Sie blickte durch die offenen Türlöcher in die Nachbarräume. Soweit sie erkennen konnte, blieb es dort so düster wie bisher. Nur der Schacht leuchtete.
    
    Mit einer Hand an der Wand entlang ging sie auf den Schacht zu, achtete darauf, nicht zu nah an die Kante zu treten. Man wusste ja nie. Ihr Blick ging nach unten, in die beiden Kellergeschosse, die der geplante Aufzug auch noch hätte erreichen sollen. Deshalb erschrak sie halb zu Tode, als eine Stimme von oben sprach: „Fürchte dich nicht!"
    
    Maria machte einen Satz zurück, weg von Kante und Licht. Was um Himmels willen war das jetzt? Vorsichtig beugte sie sich wieder nach vorn, den Blick diesmal nach oben gerichtet. Das Licht blendete sie, so hell war es. Blinzelnd erkannte sie nur eine schemenhafte Gestalt, einen dunklen Schattenriss in der gleißenden Helligkeit.
    
    „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir", kam wieder die Stimme. Eindeutig war es der Schattenriss, der mit ihr ...
    ... sprach.
    
    „Was is'n das für'n bekackter Gruß?", rief Maria erschrocken zurück.
    
    Und der Engel sprach zu ihr: „Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden."
    
    Jetzt reichte ihr der Scheiß aber echt. „Wer bist du überhaupt?"
    
    „Ich bin der Engel Gabriel, vom Herrn gesandt, um dir zu verkünden ..."
    
    „Was? Wenn du was von mir willst, dann komm gefälligst da runter und red nich so geschwollen. Echt jetzt, was soll'n das geben!?"
    
    Sie ging rückwärts vom Aufzugsschacht weg, immer hübsch einen Schritt nach dem anderen.
    
    Der Engel ließ sich sanft hinabsinken. Es sah aus, als wäre er schwerelos, und wahrscheinlich war er das auch. Maria fragte sich, wozu er dann die Flügel brauchte.
    
    Ein Teil des Lichts folgte dem Engel. Als er seinen Fuß in den Raum setzte, wurde alles angenehm erleuchtet, aber nicht übertrieben hell. Maria studierte ihn von Kopf bis Fuß. Sie hatte natürlich von Engeln gehört, glaubte aber nicht daran. Na ja, zumindest bis jetzt nicht. Der hier sah schon ziemlich echt aus.
    
    Er war groß und hatte beeindruckende weiße Flügel, die auf seinem Rücken zusammengefaltet waren. Trotzdem wirkte er nicht gefährlich. Brinkmann war kleiner, aber ein fieser Kämpfer. Mit dem hätte sie sich nicht anlegen wollen. Der Engel war dünner, irgendwie sanfter, mit dem würde sie schon fertig. Ein Tritt in die Eier reichte wahrscheinlich. Wobei, hatten Engel überhaupt Eier? Dieser dämliche weiße Umhang ließ nichts erkennen.
    
    „Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn ...
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