1. Kyrill


    Datum: 21.08.2023, Kategorien: CMNF Autor: romanowsky

    Ich stehe in der Halle des Hauptbahnhofs in Köln. Draußen tobt der Orkan Kyrill. Schon den ganzen Tag wurde im Rundfunk geraten, wenn irgend möglich Zuhause zu bleiben. Doch so was ist schnell dahergeredet. Wie soll ich meinen Kunden erklären, dass ich nicht kommen kann, nur weil der Wind mal ein bisschen stärker bläst wie normal. Bis jetzt hat ja auch alles geklappt. Der Kunde war hoch zufrieden mit meinem Angebot, der Vertrag ist unterschrieben. Wenn mein Zug nicht all zu viel Verspätung hat, bin ich spät abends wieder Zuhause. Die Bahnhofshalle ist rappelvoll. Außer den Reisenden treiben sich hier wohl auch viele Leute rum, die einfach Schutz vor dem Sturm suchen. Zu dem Stimmengewirr um mich herum plärrt der Lautsprecher irgendwelche unverständlichen Durchsagen. Ich blicke noch einmal auf die große Anzeigetafel um mich zu informieren, ob mein Zug auch pünktlich fährt. Doch was ist das? Jetzt höre ich auch genauer auf die Lautsprecherdurchsagen. Der gesamte Eisenbahnverkehr ist wegen des Sturmes eingestellt worden. Das gibt es doch nicht!
    
    Ich saß schon mehrfach an irgendwelchen Flughäfen fest, weil die Piloten oder das Bodenpersonal gestreikt haben, oder weil es wieder einmal eine Bombendrohung gab. Aber so was! Der Bahnverkehr eingestellt! Wegen ein bisschen Wind!
    
    Ich besorge mir in der Bahnhofsbuchhandlung etwas zu lesen, um mir die Zeit zu vertreiben. In ein oder zwei Stunden wird es sicher wieder weitergehen.
    
    Nach ca. 1 ½ Stunden erkundige ich mich am ...
    ... Informationsschalter, bis wann der Zugverkehr wieder aufgenommen wird. Ich glaube es nicht, was ich da zu hören kriege. Heute fährt kein Zug mehr. Bundesweit ist der gesamte Bahnverkehr eingestellt worden.
    
    Ich muss eine Entscheidung treffen. Ich will nicht die ganze Nacht am Bahnhof rumhängen. Ich brauche ein Hotelzimmer. So rufe ich also in den Hotels an, in denen ich schon öfters übernachtet hatte. Das Ergebnis war ernüchternd. Ich war nicht der Einzige der schnell ein Zimmer wollte. Alles ausgebucht, so ein Mist!
    
    Ich gehe raus auf den Bahnhofsvorplatz und greife mir einen Taxifahrer. Die haben doch immer einen Tipp für jemand, der in einer Stadt irgendwas sucht. Der Wind bläst gewaltig. Müll, Blechteile, Mülltonnen, alles mögliche fliegt durch die Gegend. Das ist hier wirklich nicht lustig. Aber ich habe Erfolg, ein Taxifahrer gibt mir, nach einem nicht zu knapp bemessenen Trinkgeld, einen Tipp. Seine Schwägerin betreibt ganz in der Nähe, keine 5 Minuten zu Fuß, eine kleine Frühstückspension. Nichts besonderes, einfach, aber sauber und preiswert. Ich bedanke mich und mache mich gleich auf den Weg. In einer engen Seitenstraße in der Altstadt werde ich fündig. Gleichzeitig mit einer Frau, die beinahe vom Wind weggeblasen wurde, erreiche ich den Eingang. Ich öffne die Tür und lasse ihr den Vortritt. An der Rezeption empfängt uns eine Frau mittleren Alters, wahrscheinlich die Schwägerin des Taxifahrers. Die vom Wind arg zerzauste Dame, ich schätze sie so auf Mitte Dreißig, ...
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