1. Der Cassandra Komplex


    Datum: 24.08.2023, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... nur so viel Wasser, wie unbedingt notwendig verwenden sollte. Sondern deutlich mehr, um dann über ein feines Sieb abzugießen. Machte den Reis fluffiger.
    
    Sie hatte keineswegs übertrieben, sie konnte enorm gut kochen. So gute Curries hatte ich nicht einmal in den beiden von Indern und Pakistanis betriebenen Restaurants in unserem Stadtteil zu essen bekommen. Wobei ich da nur Take-away orderte und nicht dort aß. Dazu auch noch Tandoori Chicken. Wahnsinn.
    
    "Wow. Ich hoffe nicht nur aufgrund deiner Kochkünste, dass du so schnell keine andere passende Wohnung findest...", wagte ich ein völlig ehrliches Statement, das sie offensichtlich erheiterte.
    
    "Freut mich, dass es dir geschmeckt hat. Und ich habe auch das Gefühl, dass meine Wohnungssuche keine besondere Eile hat. Ich fühle mich hier im Moment sehr wohl", meinte sie mit einem feinen Lächeln.
    
    Ich hatte gerade mit dem Abräumen begonnen, als ihr Handy klingelte und den bis dahin wunderschön ruhigen und harmonischen Abend zerstörte. Denn das Gespräch, was sie entgegennahm, hatte es offensichtlich in sich. Sie reagierte sehr heftig auf die anrufende Person, warf mir einen kurzen entschuldigenden Blick zu und verzog sich dann mit dem Gespräch auf ihr Zimmer.
    
    Aus dem sie erst eine halbe Stunde später zurückkehrte, als ich schon längst den Abwasch abgeschlossen und mich auf das Wohnzimmersofa zurückgezogen hatte. "Sorry. Das war meine Schwester. Sie wollte unbedingt mit mir reden...", gab sie bekannt und ließ sich ...
    ... schwer auf das Sofa fallen. Ihre Augen waren wieder gerötet, außer Wutausbrüchen hatte das Gespräch offenbar gleichfalls Tränen hervorgebracht. Sie zitterte richtig.
    
    Ich war völlig verunsichert, wusste nicht was ich tun sollte. Instinktiv wusste ich, dass ich sie in meine Arme nehmen, ihr den menschlichen, körperlichen Kontakt geben sollte, den sie sich jetzt wünschte und brauchte. Aber wieder reichte das bloße Wissen bei einer Frau nicht für die folgerichtige, direkte Handlung bei mir aus.
    
    Dann aber stellte sie den Kontakt von sich aus her, schmiegte sich bei mir an und schien wieder kurz vor einem Tränenausbruch. Nun überging mein Arm alle verstandesmäßige Steuerung und gab ihr den angemessenen zusätzlichen Halt.
    
    Ich verstand auch, dass sie in diesen Minuten noch keine Details des Gesprächs wiedergeben wollte oder konnte, sondern einfach nur gehalten werden wollte, sich nicht alleine fühlen. Da unterscheiden sich Männer und Frauen nicht.
    
    So hatte ich einen Kameraden im Arm gehalten, der erschüttert vom Fund zweier enthaupteter Kinder wie ein Geist von einem Einsatz zurückgekommen war. Eine Erdung durch Menschlichkeit nach diesem unfassbaren Grauen gebraucht hatte. Erzählen, was er wirklich gesehen und empfunden hatte, konnte er erst viel später.
    
    An direkten Kampfeinsätzen hatten wir nie teilgenommen, nur einmal waren wir in einen Hinterhalt geraten und es kam zu einem kurzen Schusswechsel, bei dem wir das Feuer erwiderten. Dann die IED, als unser Konvoi aus ...
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