1. Der Cassandra Komplex


    Datum: 24.08.2023, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... dass ich Frauen aus dem Weg gehen wollte. Schlicht und ergreifend aus der Tatsache heraus, dass ich sie nicht verstehe und nicht adäquat mit ihnen kommunizieren kann, was ich seit meiner Jugend konzediert habe."
    
    "Oho, und wer oder was hat dich zu dieser erschütternden Erkenntnis verleitet?", fragte sie mit zuckenden Mundwinkeln.
    
    Na gut, dann eben Nägel mit Köpfen.
    
    "Ein Mädchen namens Claudia, in die ich verliebt war."
    
    "Ojemine. Na, dann bin das schon meinem guten Namen schuldig, da einiges geradezurücken. Ich habe nämlich den Eindruck, dass wir uns sehr gut verstehen werden. Wirklich gut, wenn wir uns darauf einlassen wollen."
    
    "Den habe ich erstaunlicherweise auch."
    
    "Magst du mir von der anderen Claudia erzählen?"
    
    Ich mochte. Ich tat es. Wir redeten bis nach Mitternacht. Sie war es, die das Gefühl hatte, dass die andere Claudia mich eventuell nur zu direkterer Kommunikation ermuntern wollte. Sicher war sie sich allerdings auch nicht. Ich redete wie ein Wasserfall, nur selten von ihren verständnisvollen bis durchaus witzigen Kommentaren unterbrochen.
    
    Es schaffte eine Nähe, die sich auch physisch manifestierte. Sie kuschelte sich nun ohne vorherige emotionale Erschütterung öfter an mich an, so, wie ich es mir bei Geschwistern ausgemalt hatte. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich in dieser Nacht weit weniger gepanzert und kantig ins Bett ging. Ich war nämlich außer mir vor Glück und Freude, diese Frau in meinem Leben zu haben. Diese spezielle, ...
    ... besondere Frau, keine abstrakte Frau als solche. ___
    
    Am nächsten Abend erzählte sie aus ihrem Leben.
    
    "Warum hast du eigentlich dein Medizinstudium abgebrochen?", stellte ich die Frage, die mich schon nach dem ersten Hören dieser Tatsache bewegt hatte.
    
    "Oh... das hatte mehrere Gründe. Zum einen war es nicht wirklich meine Wahl gewesen. Nein, das kann man so auch nicht sagen, sagen wir es so, dass ich das Studium mehr oder weniger begonnen hatte, um es meinen Eltern recht zu machen. Mein Vater ist Frauenarzt. Er war völlig aus dem Häuschen, als ich mich im letzten Schuljahr noch einmal enorm gesteigert und am Ende das Abi mit 1,1 in der Tasche hatte. Für ihn, wie meine Mutter auch, war damit klar, dass es nur Medizin werden konnte."
    
    "Aber du hattest etwas anderes ins Auge gefasst?"
    
    "Ja, Psychologie."
    
    "Und damit wäre er nicht zufrieden gewesen?"
    
    Sie schüttelte den Kopf.
    
    "Alles andere als zufrieden. Er hielt und hält Psychologie für keine echte, keine exakte Wissenschaft. Nun, ich war einfach noch nicht so weit, mich von ihm abzunabeln, auch nicht, meine Position zu vertreten oder gar durchzusetzen. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich es nicht einmal großartig versucht. Geld spielte ebenfalls eine Rolle. Aufgrund seines und des Einkommens meiner Mutter, die Architektin ist, hätte ich kein Bafög bekommen. Sie haben mir das Studium finanziert. Es ist auch nicht so, dass ich nie selbst an Medizin gedacht hatte, als Kind wollte ich schon Ärztin werden, wie viele ...
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