1. Der Cassandra Komplex


    Datum: 24.08.2023, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... meiner Überraschung nickte sie.
    
    "Ja, dass dort ein oder mehrere Traumata unter deinem Panzer schlummern, habe ich von Anfang an gefühlt."
    
    Wie konnte sie das gefühlt haben? Wie war das möglich? Und doch zweifelte ich keine Sekunde, dass es so war.
    
    "Du hattest Recht, es waren zum Teil schreckliche Dinge die wir sehen und erleben mussten. Die mich unter anderem letztlich auch dazu gebracht haben, nicht für eine Verlängerung meiner Dienstzeit zu unterschreiben, was möglich gewesen wäre."
    
    "Habt ihr hinterher keine psychologische Betreuung bekommen?"
    
    "Hätten wir kriegen können, klar. Aber die meisten von uns wollten so damit zurechtkommen. Was ein Großteil von uns auf die eine oder andere Art auch geschafft hat. Und du hattest Recht, in vielem habe ich versucht mich durchzukämpfen, versuche es immer noch. Haltung zu bewahren, Kontrolle, Ordnung, auch meine Gefühle in Schach zu halten. Krieg ist kein Planspiel, wie er uns vor diesem Einsatz dort immer vorgekommen war. Manöver, Verschiebungen von Truppen und Material von A nach B. Beschaffen, organisieren, ermöglichen. Damit konnte ich problemlos leben. Was Krieg wirklich ist, was er bedeutet, welches Leid und Elend er unter die Menschen bringt, hatte ich zuvor in hunderten von Büchern gelesen. Begriffen habe ich es aber erst wirklich, als ich ihn erlebte."
    
    "Ich verstehe, einer abstrakten Idee kann sich verschreiben, aber die volle und nackte Realität ist etwas anderes."
    
    "Genau, das trifft es perfekt. Du... ...
    ... verstehst mich erstaunlich gut. Und bist der erste Mensch außer einigen Kameraden, mit dem ich darüber gesprochen habe. Der Roman... dreht sich um diese Zeit. Ich habe irgendwann aufhören müssen, weil die Erinnerungen zu überwältigend wurden. Noch nicht wirklich verarbeitet waren. Wobei mir das Schreiben darüber eigentlich helfen sollte."
    
    "Du kannst mit mir über alles reden, mir alles erzählen was dich bedrückt und belastet, ich hoffe du weißt das?"
    
    "Eigenartigerweise ja. Aber... wir kennen uns doch so gut wie überhaupt nicht. Nimm es mir nicht übel, aber ich verstehe absolut nicht, was im Moment in mir vorgeht und was du in mir auslöst. Es ist vielleicht auch nicht so wichtig, das jetzt zu verstehen. Wir... es gilt auch für dich. Du kannst mir ebenfalls alles erzählen, wenn du das möchtest."
    
    "Das werde ich. Aber es gibt für alles eine Zeit, das hast du ja mit deinem Roman gemerkt. Und wir brauchen nichts übers Knie zu brechen. So schnell wirst du mich nicht wieder los."
    
    "Ich bin jetzt ganz schrecklich ehrlich: Das habe ich vorgestern noch befürchtet und jetzt hoffe ich nichts mehr als das", gab ich in einem Mut-Anfall preis.
    
    Sie lachte leise.
    
    "Ich habe deinen Widerstand sehr wohl bemerkt. Auch dein "Männer bevorzugt" hatte ich nicht übersehen. Aber als den Hilfeschrei verstanden, der er wohl war. Auch darum habe ich gesagt, dass wir uns beide heilen werden."
    
    Die Alarmsirenen blieben auch diesmal stumm.
    
    "Hilfeschrei... ich weiß nicht. Es ist aber schon so, ...
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