1. Der Cassandra Komplex


    Datum: 24.08.2023, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... Besonderes?
    
    Pornographie, überflüssige Neuigkeiten, Selbstdarstellungen in sozialen Medien, verkürzte, verkümmerte Kommunikation, Verschwörungstheorien, hanebüchenen Unsinn aller Couleur. Die Sachen, die wirklich zählten, die Gedanken und Weisheiten, oder das Leben großer und großartiger Menschen und ihren Ideen, fand man anderswo.
    
    Bei mir beispielsweise, in feinen Einbänden, abrufbar und geordnet, in ihrer Richtigkeit und Wichtigkeit von Generationen bestätigt. Menschen, die die Klarheit ihrer Gedanken noch nicht der allgemeinen Verdummung wegen des Wunsches der Popularität geopfert hatten, die nicht davor zurückschreckten, nicht von der breiten Masse verstanden werden zu können.
    
    Denen noch bewusst war oder gewesen war, dass Worte die verlässlichste und konkreteste Abbildungsmöglichkeit unseres Seins und Selbst waren. Der Dinge, die wirklich zählen. Es war also eine Wahl, die mir leichtgefallen war.
    
    Ich brauchte kein Hochgeschwindigkeitsinternet, um an die Dinge zu gelangen, die für mich Bedeutung hatten. Sie umgaben mich bereits jeden Tag. Heidegger gab es nicht auf Twitter, Kants Facebook-Seite ließ sich ebenfalls nicht finden, Shakespeare bloggte nicht und ich bezweifelte, dass er das getan hätte, hätte es diese Möglichkeit zu seiner Zeit gegeben.
    
    Männer kommen mit Regeln und klaren Strukturen wunderbar zurecht. Darum hatte es mir lange Zeit so gut beim Militär gefallen. Auch die wenigen Kameradinnen, die mit uns dienten, hatten sich in diese Struktur ...
    ... wunderbar integriert. Es gab natürlich auch Probleme, wie alle Strukturen sind diese niemals als etwas Statisches zu begreifen, sondern einem stetigen, dynamischen Wandel unterzogen.
    
    Ich war beileibe kein Frauenfeind. Ich verstand, dass Frauen die Welt anders und aus anderem Antrieb verstanden und erfassten. Ich begriff sehr wohl, dass Liebe und Sexualität einen Großteil des menschlichen Dramas bestimmten und motivierten. Es war einfach so, dass mir dieser Teil des Menschseins vornehmlich aus Büchern bekannt war und angetragen wurde.
    
    Dass ich mit Männern besser zurechtkam, hatte nichts mit meiner sexuellen Orientierung zu tun, denn die war eindeutig heterosexuell. Nie hatte ich mich von anderen Männern auf diese Art und Weise angezogen gefühlt. Es hatte einen guten Freund von mir gegeben, der dies einst auf die Probe gestellt hatte. Und die Frage war eindeutig und schlüssig für mich beantwortet worden.
    
    So sehr ich ihn, seine Gefühle und seine Wünsche respektieren und schätzen konnte, sprachen sie mich dennoch in keiner Weise an. Im jungen Erwachsenenalter hatte ich mich der Dienste käuflicher Frauen versichert, um sporadisch auftretende, als Drucksituationen empfundene Regungen der Lust und manchmal einfach nur dem Wunsch nach menschlicher Nähe, ein Ventil zu verschaffen.
    
    Diese Begegnungen standen von vornherein unter keinem guten Stern. War es zu Beginn eher das Gefühl gewesen, in meiner Unerfahrenheit und Unwissenheit von den professionellen und im Grunde an mir, ...