Der Cassandra Komplex
Datum: 24.08.2023,
Kategorien:
Romantisch
Autor: postpartem
... für mich und meine besondere Situation entwickelt hatte. Für sie war ich nur ein eben etwas jüngerer geiler Bursche, wie alle anderen auch gewesen."
"Aber du warst nicht nur enttäuscht?"
Verblüfft sah ich ihr in die Augen. Das konnte sie erahnen?
"Nein, da hast du ganz Recht. Ich fühlte mich auch... als Mann. Endlich als Mann. Nun konnte ich sozusagen mitreden, was ich selbstverständlich nicht tat. Das war kein Erlebnis gewesen, mit dem ich mich hätte brüsten können und wollen. Meinem Freund erzählte ich als einzigem, dass und wo ich die Geschichte durchgezogen hatte und auf seine grinsende Rückfrage, dass es ganz okay gewesen war."
"Du hattest aber die Hoffnung, dass es mit einer anderen, empathischeren Prostituierten anders sein könnte?"
"Genau. Ich war allerdings für eine Weile bedient. Und dann auch pleite, denn nun hatte wirklich das Auto Vorrang. Mein erstes Auto, ein gelb-schwarzer Käfer. Mein ganzer Stolz. Der allerdings auch ständig irgendwelche Mucken hatte und kleinere Reparaturen brauchte... und was sonst so dazugehörte, eine gute Anlage..."
"Interessant, aber du kommst ein wenig vom Thema ab", kam ihre grinsende, wohl nur halb ernst gemeinte Schelte.
"Du möchtest wirklich hören, wie es weiterging?"
"Ja, aber vielleicht nicht mehr heute, es ist tatsächlich schon nach zwei. Und zumindest du musst morgen ja noch arbeiten. Ich möchte nicht verantwortlich sein, wenn findige Leute deinen Laden ausräumen, während du den Schlaf der Gerechten ...
... schläfst, weil ich dich solange wach gehalten habe..."
"Oh Gott, echt schon so spät? Mit dir vergeht die Zeit wirklich wie im Flug. In Ordnung, dann lass uns hier abbrechen..."
"Du versprichst mir aber, dass du mir morgen weiter davon berichtest?"
"Es... interessiert dich wirklich? Für mich waren das eigentlich schrecklich peinliche Episoden, etwas, wofür ich mich irgendwie ziemlich schäme..."
"Das brauchst du nicht. Und, das merkst du doch gerade wohl selbst, das musste heraus, oder nicht?"
Ja, das Gefühl hatte ich auch. Was war sie in diesem Moment für mich, ein weiblicher Beichtvater? Würde sie mir, nachdem ich all diesen Schmutz gebeichtet hatte, Absolution erteilen?
"Ja, aber vielleicht habe ich mit den Details etwas übertrieben..."
"Auf keinen Fall. Ich finde es großartig, dass du dich traust, so offen darüber zu reden. Ich werde mich gerne in gleicher Weise revanchieren, wenn du das möchtest. Auch wenn mein erstes Mal sicher marginal romantischer war", gab sie lächelnd zurück.
"Oh. Das wäre... wunderbar", gab ich erschüttert und ohne echte Hintergedanken zurück.
Sie lächelte fein, gab mir einen Kuss auf die Wange, überließ mir das Bad als erstem zum Zähneputzen und wünschte mir eine gute Nacht.
Ja, sie hatte völlig Recht. Es war befreiend gewesen, ihr davon zu erzählen. Noch immer war ich verblüfft darüber, wie leicht es mir gefallen war, mich ihr gegenüber in dieser eigentlich extremen Weise zu öffnen. So groß waren ihre Vorleistungen da ja ...