1. Der Cassandra Komplex


    Datum: 24.08.2023, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... seit meiner Bundeswehrzeit noch nicht wieder Essen gegangen. Alleine macht das auch nicht wirklich Spaß."
    
    "Ja, zu zweit ist vieles schöner. Hm... vielleicht sollten wir vorher nochmal unter die Dusche. Wir haben beide vor allem beim Raufschleppen ganz schön geschwitzt", gab sie mit einem neutralen Gesichtsausdruck bekannt.
    
    Aha. Schonzeit zu Ende. Sie wusste natürlich genau, was das für Assoziationen in mir auslöste.
    
    "Du kannst es nicht lassen...", kommentierte ich ihren erneuten Einstieg ins Spiel.
    
    "Was meinst du? Hygiene ist wichtig, hat mir jemand erzählt, dem ich da völlig vertraue."
    
    "Dein Vertrauen ehrt mich. Gut, dann lass uns ranhauen. Und ich lass dir dann den Vortritt unter der Dusche", versuchte ich mich herauszuwinden.
    
    "Du bist echt ein Kavalier der alten Schule. Der offenbar noch nicht so weit ist, seine Träume wahr werden zu lassen...", gab sie schmunzelnd zurück, als wir in ihr Zimmer wanderten.
    
    Oh? Kein Rückzugsgefecht? Das hatte sie doch aber wohl ohnehin nur so dahingesagt, oder nicht? Was, wenn nicht? Verdammt, das würde mich jetzt einige Zeit beschäftigen. Wie machte sie das nur? Sie brachte mich so mühelos zum Schwingen, es war unglaublich. Minimaler Aufwand, maximales Ergebnis. Totale Effizienz. Bewundernswert. Und sie lockte mich damit aus der Reserve.
    
    "Bedauerst du das?", fragte ich vorsichtig, als wir mit je einer Kiste bewaffnet auf dem Weg zu unserer Bibliothek waren.
    
    "Dass du noch nicht soweit bist? Nein, keineswegs. ...
    ... Selbstfindung ist kein Wettkampf, kein schneller, höher, weiter. Es ist ein Prozess, der seine eigene Zeit braucht, seine eigene Dynamik entwickelt. Überlege doch mal, wieviel näher du dir selbst in der vergangenen Woche bereits gekommen bist. Und im Zuge wir uns."
    
    "Also ist das dein Projekt? Dass ich zu mir selbst finde?"
    
    "Vielleicht auch nur ein Teil davon. Ich bin wie gesagt zu Stillschweigen verpflichtet."
    
    Sie hatte natürlich völlig Recht. Die Veränderungen, die ihre Anwesenheit und der Umgang mit ihr auch und gerade in mir ausgelöst hatten, waren wirklich erstaunlich. Mir wurde in diesem Moment klar, dass ihre Spielchen viel an meinem Kopf vorbei mich direkt emotional ansprachen und ich einfach reagierte, natürlich reagierte. Und nicht nur die.
    
    "Okay, jetzt die letzte", riss sie mich aus meinen Gedanken, nachdem wir eine Kiste nach der anderen ausgepackt und in ihrer Seite des Regals untergebracht hatte.
    
    "Ja, die großen Bände leg ich erstmal nur flach hin, die arrangiere ich dann mit meinen sinnvoll."
    
    "Nur dass du jetzt keine Angst bekommst... die feministische Literatur stammt aus einer bestimmten Phase meines Lebens. Für den Fall, dass du Titel erkennst."
    
    "Die meisten davon habe ich selbst", gab ich lächelnd bekannt. "Wobei meine Sammlung vermutlich sogar etwas umfangreicher ist."
    
    "Stimmt ja, die rätselhafte Claudia und ihre Folgen", erinnerte sie sich. "Davon hattest du mir erzählt."
    
    "Diese Literatur hat einiges in Bewegung gesetzt... nicht nur ...
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