1. Der Cassandra Komplex


    Datum: 24.08.2023, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... gab ich grinsend zurück. Natürlich hatte sie verstanden, dass ich das völlig ernst gemeint hatte. Was für eine wunderbare Frau.
    
    "Mach nur so weiter. Aber jetzt möchte ich mich gerne weiter mit deinem Freund Rombach auseinandersetzen. Ich verstehe deine Faszination mit seiner Denkweise und der Klarheit seiner Gedanken schon jetzt. Vor allem die Sprache... jedes Wort ist mit Bedacht und absoluter Präzision gewählt... völlig genial."
    
    "Genau, so empfinde ich das auch. Dafür muss ich dich jetzt knutschen, darf ich dich so lange noch von der Lektüre abhalten?"
    
    "Ausnahmsweise darfst du das immer", gab sie lachend zurück. "Weil du so lieb fragst." ___
    
    Wie kann ich die folgenden Tage am besten beschreiben? Es war ein Erwachen am Beginn eines wundervollen Tages, ein Erblühen der wundervollsten Blume dieser Welt, die sich Liebe nennt, zugleich. Während wir mit unserem Verstand in die Gedankenwelt des anderen vordrangen, durch unsere Gespräche, aber gleichfalls die Lektüre der Bücher, die wir uns gegenseitig empfahlen, Verstehen und Verständnis aufbauten.
    
    Dabei zärtlich und forderungslos miteinander körperlich umgingen, jede Nacht miteinander im Bett verbrachten, uns nicht nur körperlich wärmten, sondern auch und gerade mit unserem Gefühl.
    
    Es war der Freitag der zweiten Woche unseres Zusammenlebens. Am Abend wollte Claudia erstmals Yoga mit mir probieren, nachdem ich dieses Bedürfnis angemeldet hatte. Bei allem war sie darauf bedacht, dass ich danach fragte, ...
    ... oder gab mir bei direkten Vorschlägen immer die freie Wahl, versuchte nicht, mich in eine bestimmte Richtung zu lenken.
    
    Wofür ich ihr dankbar und was auch absolut nicht notwendig war. Sie machte mich immer noch fassungslos, was die Tiefe ihres Denkens und ihre intellektuellen Kapazitäten anging. Wie sie Rombach nicht nur las, sondern auf Anhieb verstand und mir dabei bei Detailfragen aufzeigte, dass ich mich an manchen Stellen viel zu oberflächlich damit beschäftigt hatte, war mehr als nur erstaunlich.
    
    Noch erstaunlicher allerdings, wie wenig ihr das eine Genugtuung zu sein schien, wie bescheiden und mit was für einer Anmut sie diese, und das konstatiere ich ohne jede Übertreibung als objektive Tatsache, intellektuelle Überlegenheit mir gegenüber, als unwesentlich empfand und darstellte. Das meinte sie so, dass war keine Bauchpinselei.
    
    Ich fragte mich langsam, wer in ihrer Ehe das tatsächliche Genie gewesen war. Es erschütterte mein Selbstbewusstsein, und, das sage ich ganz ehrlich, das vorherige Gefühl einer geistigen Elite anzugehören, die mich von meinen Mitmenschen abhob. Und diese Frau, dieses Fabelwesen, das mir da ins Haus geflattert war, wollte mich? Es war ein Mysterium, was ich vielleicht niemals lösen konnte, aber was mich über alle Maßen glücklich machte.
    
    "Entschuldigen Sie bitte, vor einigen Wochen war hier ein Aushang, wo ein Zimmer angeboten wurde. Hat der Vermieter das Zimmer schon vergeben, weil der Aushang nicht mehr da ist, wissen Sie das ...
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