1. Joes kleine Meerjungfrau


    Datum: 12.07.2019, Kategorien: Sonstige, Autor: Dingo666

    ... an einer Bar lehnen, einen eiskalten Gin Tonic in der Hand. Dunja, die ganz zufällig auch in dem Club gekommen war, würde Augen und Mund aufreißen. "Gestrandet? Im Sturm? Mitten in der Nacht. Mein Gott!" Er würde nonchalant abwinken und einen Schluck nehmen. Die vollen Brüste in Dunjas offenherzigen Ausschnitt würden sich heben und senken, ihre Augen anbetungsvoll leuchten...
    
    Mit einem Schnauben verdrängte er das Wunschbild. Dunja würde er schon zurückgewinnen, früher oder später. Jetzt musste er erst einmal weg von diesem öden Felsen mitten im Nirgendwo. Und dazu musste er gefunden werden. Gleich würde er Holz sammeln und ein Signalfeuer vorbereiten. So groß, dass ein Flugzeug es aus fünfzig Meilen Entfernung sehen würde.
    
    Er kam er ins Stehen und hinkte nach links. Dort unterbrachen schroff gezackte Felsblöcke die Linien des Strands. Kurze Wellen schwappten dagegen und warfen Schaum und Wasserspritzer hoch, die letzten Nachwehen des nächtlichen Sturms. Es roch durchdringend nach Salz und nach Tang.
    
    Die "Slanderscree" bot einen erbärmlichen Anblick. Die Brecher hatten das Boot quer gekentert auf die Felsen geschleudert. Der Mast hatte sich in einem Spalt verfangen, doch die Schwerkraft hatte das Boot zurück in eine halbwegs aufgerichtete Lage gezwungen. Der Mast war daher nun zu einem abenteuerlichen Bogen gespannt, umweht von zerfetzten Leinwandresten und abgerissenen Tauen.
    
    Jeden Gedanken an eine Reparatur konnte er vergessen. Sein Boot, die elegante, weiße ...
    ... Slup, seine Heimat in den letzten Monaten: tot, Geschichte. Genau wie seine Börsenkarriere. Wie der ganze Wahnsinn, den er früher getrieben hatte. Für Dunja.
    
    Er verdrängte die Erinnerungen an sein früheres Leben und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt.
    
    Angst um sein Leben hatte er nicht. Auch hier im Südpazifik, in den weit verstreuten Inselgruppen und Atollen von Mikronesien, gab es eine Überwachung, Vermisstenmeldungen und Suchflugzeuge. Gut, er war zwei Tage lang mit gebrochenem Ruder vor dem Sturm hergetrieben, doch sie würden ihn finden. Im 21. Jahrhundert verhungerten gestrandete Seeleute nicht mehr auf einer einsamen Insel. Da war er sich absolut sicher.
    
    Es ging darum, bis dahin zu überleben. Das sollte kein größeres Problem darstellen. Die Angelruten hatten den Crash überlebt, und im Dschungel müsste er Kokosnüsse und vielleicht Früchte finden. Auch Wasser gab es - ein paar Meter weiter plätscherte ein kleines Rinnsal durch die Steine ins Meer. Das Wetter und die Temperaturen sollten hier in den Tropen ebenfalls kein Problem darstellen.
    
    "Na gut, Robinson Crusoe." sagte er zu sich selbst. "Dann mal auf. Schauen wir doch, ob wir noch was finden."
    
    Das Bein pochte immer noch, doch er drückte den Schmerz weg, einfach beiseite. So etwas konnte er gut. Ja, als Mann der Tat durfte man sich von kleinen Widrigkeiten nicht beeindrucken lassen. Früher, in seiner Zeit an der Börse, hatten ihn die anderen Trader beneidet. Um seine Fähigkeit, Rückschläge und falsch ...
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