1. Joes kleine Meerjungfrau


    Datum: 12.07.2019, Kategorien: Sonstige, Autor: Dingo666

    ... laufende Kurse gleichmütig zu akzeptieren und sofort neue Entscheidungen zu treffen. Wer ein Ziel hatte, war niemals verloren! Er pflegte seine Ziele immer zu erreichen, komme was da wolle.
    
    Ein metallisches Blinken zog seine Aufmerksamkeit auf sich, im flachen Wasser neben den Felsen. Er hinkte hinüber, vorsichtig, um nicht von der immer noch starken Brandung umgeworfen zu werden. Da lag seine Bordaxt, halb vergraben im Sand. Mit einem triumphierenden Ruf schnappte er sich das Werkzeug und wog es in der Hand. Wunderbar - damit konnte er sich alles Mögliche bauen.
    
    Eine größere Welle rollte an. Er wich einige Schritte zurück. Sie brach und schäumte über die Felsen. Der Mast gab ein durchdringendes Schaben und Kreischen von sich, wo er gegen den Stein rieb. Joe betrachtete das genauer. Anscheinend hatte sich die Mastspitze mit dem darauf montierten Radardom in einer Felsspalte verhakt. Wenn er das lösen konnte, würde sich das Wrack vielleicht wieder aufrichten. Das würde die Bergung weiterer Habseligkeiten wesentlich erleichtern.
    
    Gedacht, getan. Vorsichtig kletterte er auf den Steinhaufen und studierte die Situation aus der Nähe. Dann hob er die Axt und schlug auf die Mitte der weißen Plastikhülle, unter der die Radarelektronik lag. Ein Riss sprang quer durch die Halbkugel. Anscheinend stand sie massiv unter Druck. Joe schlug ein zweites Mal zu. Ohne Ergebnis. Ein drittes Mal.
    
    Ein Knirschen. Ein durchdringendes Kreischen. Dann schnalzte der Mast hoch und kam federnd ...
    ... wieder in eine Senkrechte, während das ganze Boot durchsackte. Das komplette Radargerät löste sich von der Mastspitze und wurde wie von einem überdimensionalen Katapult über das Wasser geschleudert. Joe folgte der Flugbahn in andächtigem Staunen. Das Teil flog mindestens zweihundert Meter weit und klatschte in die Wellen, wo -
    
    Wo ein Arm sich in einer Abwehrgeste aus dem Wasser gehoben hatte? Wo kurz ein dünner Schrei über dem Rauschen des Seegangs zu hören war?
    
    "Was zum Teufel...?" Joe richtete sich ganz auf und beschirmte die Augen mit der Handfläche. Ein Mensch, hier draußen im Wasser? Hatte er schon Halluzinationen? Nein. Da trieb etwas, eindeutig. Ein roter Schimmer im stumpfen Graugrün des Wassers. Blut? Hatte er versehentlich jemand getroffen und verletzt?
    
    Joe zögerte keine Sekunde. Er schleuderte die Axt nach oben auf den Strand, weit genug weg von der Brandungslinie. Dann stürzte er sich ins Wasser und kämpfte sich mit ausholenden Schwimmzügen durch die Wellen. Das war ungemütlich, das Salzwasser klatschte ihm frontal ins Gesicht. Er spuckte und hustete, und schwamm weiter. Das linke Bein schonte er ein wenig, doch die Kühle des Wassers betäubte den Schmerz ohnehin.
    
    Nach wenigen Minuten hatte er die Stelle erreicht und sah sich um. Ja - da drüben! Mit drei, vier weiteren Zügen war er dort.
    
    Es war kein Blut. Sondern ein langer, dunkelroter Haarschleier, vom Wasser zu einem wogenden Fächer geformt. Da trieb ein Mensch, mit dem Gesicht nach unten. Hastig ...
«1234...31»