1. Joes kleine Meerjungfrau


    Datum: 12.07.2019, Kategorien: Sonstige, Autor: Dingo666

    ... Größe zweier Hände mit gespreizten Fingern auf. Sie wirkte dünner und biegsamer als die eines Delfins.
    
    "Eine waschechte Seejungfrau", murmelte Joe vor sich hin und rieb sich den Bart, in dem die Salzrückstände juckten. "Und mein Handy ist hinüber. Ich kann kein einziges Foto machen. Das glaubt mir kein Mensch!"
    
    Er hockte sich neben sie und überlegte. Ob er sie vielleicht mitnehmen konnte? Sie der Welt präsentieren? Ein atemberaubender Gedanke - sie würden innerhalb von 24 Stunden das bekannteste Paar auf dem Planeten sein! Und er - würde der interessanteste Mann auf dem Planeten sein.
    
    Hmmm...
    
    Die Sonne verbreitete angenehme Wärme auf seiner Haut. Jetzt im März ging auf der Südhalbkugel gerade der Sommer zu Ende, soweit man hier überhaupt von Jahreszeiten sprechen konnte. Natürlich würde es auch heute wieder warm werden, was sonst?
    
    Sein Fang war immer noch bewusstlos. Also konnte er die Zeit auch nutzen, bis sie aufwachte. Zunächst konstruierte er ein Zeltgestänge aus geraden Schösslingen, die er mit der Axt fällte. Einige Segel hatte er geborgen. Bald hatte er geeignete Zeltbahnen daraus geschnitten und den Sonnenschutz vervollständigt. Das Wesen lag nun unter einem improvisierten Iglu und rührte sich nicht.
    
    Also kümmerte er sich erst einmal um das eigene Aussehen. Am liebsten hätte er den Bart abrasiert, aber dafür hatte er kein geeignetes Messer mehr. Also schälte er sich nur aus den halb zerfetzten Resten der Schlechtwettermontur mit Neopren-Einlagen, ...
    ... wusch alles im Süßwasser, und hing das Zeug über ein paar Äste am Waldrand. Vielleicht brauchte er es ja nochmal. Sein Bein sah böse aus und schmerzte, schien aber einigermaßen funktionsfähig.
    
    Er selbst wusch sich ebenfalls gründlich und behielt nur Shorts an, und ein gelbes Funktionsshirt. Vielleicht brauchte er gegen Mittag einen Turban oder etwas ähnliches als Sonnenschutz. Ansonsten musste er sich um die Sonne kaum Gedanken machen. Nach fast sechs Monaten im Pazifik war seine Haut ebenso tief gebräunt, wie seine sonst dunkelblonden Haare zu einem hellen Weißgold-Ton ausgebleicht waren.
    
    Dann hockte er sich in den Sand, neben die Unbekannte, und verzog das Gesicht, als Schmerz durch sein Bein stach.
    
    "Tja, meine Süße", sagte er zu ihr. "Und was tun wir jetzt?"
    
    Da flatterten ihre Lider, und sie schlug die Augen auf. Sah den Baldachin über sich. Ihr Blick zuckte umher, fand ihn. Sie schrie auf und rutschte rückwärts, bis ihr Rücken gegen eine Strebe prallte und das Iglu bedrohlich ins Wanken brachte. Panisch blickte sie von links nach rechts, desorientiert und auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Ihr Schwanz schwang umher, schlug Fontänen aus dem Wasser.
    
    "He, ganz ruhig", sagte er und zwang sich zu einem Lächeln. "Ich tue dir nichts. Du bist in Sicherheit."
    
    "In - Sicherheit?", flüsterte sie und hielt inne, sah ihn an. Er hielt ihren Blick, ohne sich zu bewegen. Die beiden großen, grün leuchtenden Pupillen schienen ihn zu durchdringen, bis auf den Grund ...
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