1. Das Experiment


    Datum: 10.11.2019, Kategorien: Reif Autor: mariner58

    Das Experiment
    
    Knapp fünfeinhalb Monate sind vergangen, dass Maria von Bord ging. So langsam beginnt der Herbst, auch am Mittelmeer. Die Temperaturen nehmen ab, doch immer noch wärmer als im trüben und nasskalten Norddeutschland. Die Saison über war ich gut gebucht und verbrachte einige Tage auf Simi, einer kleinen, aber sehr pittoresken griechischen Insel vor der türkischen Küste. Der Hafen ist traumhaft schön und windgeschützt. Steile Stufen führten zu bunten, alten hübschen Häusern, kleine Restaurants rings um den Hafen. Ein kleines und einziges Hotel befindet sich im Norden am Ende des Hafens. Dort hatte ich mich eingemietet. Keine schaukelnde Koje für ein paar Tage. Mein Schiff und ich haben ein paar Tage Ruhe verdient und die Tage tröpfelten gemächlich dahin. Täglich besuchte ein Fährschiff aus Rhodos, spuckte Unmengen von Touristen in den Hafen. Nachmittags legte das Schiff mit den Invasoren wieder Richtung Rhodos ab. Als ich eines Abends in eine mystische kleine Stand Bar gehen wollte, fiel mir eine Dame mittleren Alters an der Hotelrezeption auf. Unsere Blicke trafen sich nur kurz.
    
    In einer Bar, direkt am Wasser, bestellte ich einen Ouzo und genoss die Aussicht über das Wasser, das letzte Sonnenlicht und die Ruhe. Zum zweiten Ouzo bestellte ich eine Kleinigkeit zu Essen. Die Servicekraft stellte zum Drink noch eine Schüssel Oliven, als eine weibliche Stimme auf Englisch bat, ihre Bestellung aufgeben zu können. Es ist die Frau aus dem Hotel. Ich vermutete, an ...
    ... der Ausdrucksweise und dem Dialekt dass die Schweiz ihre Heimat ist. Nach Aufgabe ihrer Order fragte ich, ob sie alleine Speisen möchte?
    
    Die Dame, ich schätze, um die vierzig Jahre alt, nickte nur. Dann nicht. Kaum stand ihr Drink auf dem Tisch, bestellte sie sofort einen Neuen. Mit nur einem Zug war der Ouzo durch die Kehle gelaufen. Ups, dass nenne ich aber einen Zug, stand auf und ging zum WC. Als ich wieder an meinem Tisch trat, lag ein zweites Besteck dort, ein volles Glas Ouzo stand daneben. Abwarten was passiert. Die Dame aus dem Hotel kam vom winzigen Stand vor der Bar direkt zu meinem Tisch und nahm Platz. Etwas überrascht schaute ich sie an. Ihrer Augen waren feucht und Tränen liefen über ihre Wangen.
    
    „Wollen Sie reden?“ fragte ich. Mehr flüsternd als gesprochen antwortete sie“ nur nicht alleine sein, mehr nicht“. Es wurde ein sehr, sehr langweiliges Essen. Als ich mit Dessert fertig war, wollte ich bezahlen und gehen. „Lassen Sie mich bitte nicht alleine hier“ sagte sie plötzlich. „Wenn sie möchten, gut. Aber Gedanke lesen kann ich nicht“ antwortete ich. Sie zeigte ein leises Lächeln und zahlte auch. Gemeinsam verließen wir die Bar. Es war schon dunkel, wenige Laternen beleuchteten den Weg, vorbei an bunten kleinen Häusern, Fischerbooten am Strand gingen wir zum Hotel. Ich versuchte ein Gespräch in Gange zu bekommen und stellte mich vor. „Tim ist mein Name und ihrer?“ fragte ich. Keine Antwort. So gingen wir eben wortlos weiter.
    
    Im meinem Zimmer kam ich ...
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