1. Dr. Jekyll und Heidi Teil 01


    Datum: 24.11.2019, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byRomeoReloaded

    ... Es sei denn", neckte ich sie und klopfte ihr dabei aufs Knie, „man ist romantisch veranlagt."
    
    Wieder schwieg sie.
    
    „Nicht alles, was schön ist, ist auch gut und wahr. Und die Wahrheit ist nicht immer gut und schön." Ich trank mein Glas aus. Stand auf, streckte ihr die Hand hin. Sie nahm sie, wir gingen, Hand in Hand.
    
    Auf dem Weg zu ihrer Tante hing sie ihren Gedanken nach, blickte auf den Bürgersteig vor ihren Füßen. Als wir um eine Straßenecke bogen, hinter der ein riesiger Jasminbusch die Nachtluft mit seinem Duft erfüllte, blieb sie abrupt stehen.
    
    „Zum Beispiel eine tugendhafte Frau", sagte sie vorsichtig.
    
    „Ja?", fragte ich verwundert.
    
    Sie legte die Hände auf meine Brust, blickte versonnen vor sich hin. „Das ist auch etwas, das schön und gut ist, aber nicht unbedingt wahr."
    
    Erst jetzt blickte sie zu mir auf, ängstlich und erwartungsvoll. „Vielleicht benimmt sich die Frau auch nur so, weil sie glaubt, dass es moralisch und ästhetisch von ihr erwartet wird. Vielleicht sehnt sie sich in Wahrheit nach etwas anderem."
    
    Sie reckte sich mir entgegen, die Lippen geöffnet. Ich beugte mich vor und küsste sie.
    
    Nur im ersten Augenblick war unser Kuss zaghaft. Dann öffnete sie ihren kleinen Mund weit, presste ihre zarten Lippen fest auf meine. Ich schlang meine Arme um sie, drückte sie entschlossen an mich. Sie fühlte sich wundervoll an, zart und doch fest, schlank und geschmeidig.
    
    Der Geruch ihrer Haare vermischte sich mit dem intensiven Duft des Jasmins. ...
    ... Meine Hände glitten über ihren Rücken, legten sich sanft in ihren Nacken, die Daumen auf den Hals. Zufällig berührte ich ihre Halsschlagader, spürte das Blut wild pochen.
    
    Unsere Lippen lösten sich voneinander. Ich beugte mich tiefer, küsste ihren zarten Hals Stück für Stück bis zur weichen Stelle am unteren Ende des Halses, in der Mitte zwischen den Enden der Schlüsselbeine. Heidi sog scharf Luft ein und hielt sie an. Ein leichtes Beben durchlief ihren Körper. Später lernte ich, dass diese Stelle an ihrem Hals eine außergewöhnlich erogene Zone war. Ich hatte einen Glückstreffer gelandet, sie gleich zu Beginn dort zu küssen.
    
    Als ich mich wieder aufrichtete, stand Heidis Entschluss bereits fest.
    
    „Lass uns ins Hotel gehen", sagte sie schlicht. Eng umschlungen machten wir uns auf den Weg, versanken in jeder dunklen Ecke wieder in einen langen Kuss.
    
    Was wir in dieser Nacht erlebten, war eine Poesie der Sinne. Wir schrieben mit unseren Körpern neue Strophen zu den romantischen Gedichten, denen wir zuvor gelauscht hatten. Ineinander verschlungen begaben wir uns auf eine Reise durch dunkle Wälder, über mondbeschienene Gewässer zu heißen Quellen. Und stets vermeinte ich noch leicht den Duft des Jasmins zu erahnen, der unseren ersten Kuss begleitet hatte.
    
    Ich erinnere mich genau, wie ich sie zum ersten Mal nackt sah. Sie kam aus dem Bad, die ans Kinn hochgereckten Hände umklammerten den Rand des weißen Badetuchs, das sie wie einen Schild vor sich her trug. In der Mitte ...
«1...345...16»