1. Der Spaziergang


    Datum: 10.03.2020, Kategorien: Romantisch Autor: Nadine Schnitzer-Katzmann

    ... eine grosse Wärme in mir aufsteigen. Adrenalin? Sollte ich weglaufen oder es mir gemütlich machen? Was hätte meine Mutter gemacht? Sie wusste immer Rat!
    
    Offenbar hat er meine Schwerfälligkeit sofort bemerkt und schmunzelt. Ich weiss auch nicht, dieser verschmitzte Blick und ebensolches Lächeln stecken irgendwie an. Ich habe das Gefühl, dass peinlichkeitsüberwindende Floskeln nicht nötig sind und frage ihn: "Wäre es vielleicht möglich, dass ich bei Ihnen ein Fussbad nehmen könnte? Ich glaube, das könnte meine Lebensgeister zurückrufen." "Kein Problem, es ist nur etwas eng hier, aber wenn du, während du den Tee geniessen kannst, mit badenden Füssen unter dem Tisch zufrieden sein könntest?" Ja klar, das ist mehr, als ich bisher erhofft habe. Ein bisschen nervös bin ich schon, als ich mir meine schweren Wanderschuhe ausziehe und feststelle, dass meine Füsse schon vor dem Fussbad total weich sind, kein Wunder, den ganzen Tag in diesem "Microkosmos" eingesperrt... Und er duzt mich!
    
    Er bringt eine Schüssel mit Wasser, hat noch irgendeinen "Duftspender" oder Duschbad hinzu gegeben. Er bittet mich, kurz die Temperatur zu prüfen, alles o.k. . Überraschend geübt, nimmt er plötzlich einen Fuss von mir und taucht ihn mit seinen Händen in das Wasser, ich muss schlucken, das hatte ich nicht erwartet. Ich schaue auf seine Hände, die kräftig und von Arbeit gezeichnet sind, dennoch nicht rissig oder ungepflegt. Er streicht sanft und kaum spürbar über meine Füsse und wendet sich wieder ...
    ... der Teebereitung zu.
    
    Ich ertappe mich, wie sich meine beiden "Selbstgesprächsgegner" in Position bringen... die eine, die Befürworterin der Situation, macht es sich gedanklich unflätig auf meiner rechten Schulter bequem, die andere, stets mahnende, verharrt bocksteif, mit verschränkten Armen auf der anderen Seite. Das kann ja heiter werden, ich kenne mich und meine Hin- und Hergerissenheit. Er giesst uns den Tee ein und schneidet einen Hefezopf an, als mich der Duft erreicht, merke ich auch, was ich für einen Hunger habe.
    
    Als hätte er meine Gedanken gelesen, meint er aufmunternd, es sei auf jeden Fall noch Anderes an Speisen im Haus, ich solle einfach sagen, wenn es nicht reicht. Er setzt sich mir gegenüber und unsere Blicke treffen sich frontal. Ich dachte, frag mich was, irgendwas, aber schaue mich nicht so durchdringend an. Als hätte er meine Gedanken gelesen, vielleicht auch meine Körpersprache, fangen wir ein lockeres Gespräch über den Sommer und die Abgeschiedenheit des Häuschens an. So vergeht die Zeit, als ich ganz beiläufig mal wieder zum Fenster schaue, ist es draussen stockdunkel. Ausserdem merke ich, wie das Wasser in der Schüssel vom Fussbad langsam kalt wird.
    
    Er kommt mit einem Handtuch und ich halte ihm meine Füsse hin, die er ganz sanft mit dem Handtuch nimmt und abtrocknet. Den zweiten Fuss betrachtet er genauer, bevor er ihm einen Kuss gibt und in die bereitgestellten Pantoffeln schiebt. Ich tat erstmal so, als wäre das "nichts Besonderes", aber es ...
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