Diarium - Jenseits von Glaube, Liebe, Hoffnung
Datum: 02.04.2020,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Hassels
... festlicher an. Die vierzig Kilometer hatte ich auf fast leerer Autobahn schnell bewältigt, war nur zehn Minuten zu spät. Meine wesentlich älteren Geschwister saßen schon rund um Mutters Bett verteilt.
"Frohe Weihnachten, Michael! Da ist ja mein Nesthäkchen.", wurde ich von meiner Mutter aus dem Pflegebett heraus begrüßt. Ich war der Nachzügler, sie hatte mich erst mit siebenundvierzig Jahren bekommen. Meine zehn bis zwanzig Jahre älteren Geschwister begrüßten mich auch freundlich obwohl ich immer Mamas Liebling war. Mein ältester Bruder Heinz, zog mich dann mit auf den Flur des Pflegeheims. "Die Ärzte meinen dass Mutter ihren einundachtzigsten Geburtstag nicht mehr erleben wird. Ich habe Renate, Gertrud, Klaus und Johann gefragt, aber wir haben alle derzeit einen finanziellen Engpass. Was ist wenn Mutter stirbt?" Die Peinlichkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben.
"Du kannst alle beruhigen. Ich werde das schon übernehmen. Ihr habt mir früher den Weg für ein freieres Aufwachsen geebnet, ich musste keine Kämpfe um Selbstbestimmung ausfechten, also seht es als Ausgleich. Und wenn jemand von euch Probleme hat, sprecht mich ruhig an.", sagte ich in der Hoffnung diverse Gräben zu überbrücken. Heinz nickte nur, klopfte mir dann auf die Schulter.
"Wir waren immer neidisch auf Dich. Entschuldige bitte, Michael! Du warst zu Mutters Lebensmittelpunkt geworden und wir fühlten uns zurückgesetzt. Aber wir fünf haben uns schon bei der Beerdigung Deiner Frau eines Besseren ...
... besonnen. Wir haben es nur versäumt es Dir auch zu zeigen." Heinz reichte mir die Hand, eine Geste von unermesslichem Wert für mich.
"Gertrud hat sich von Harald getrennt, es artet zu einer riesigen Schlammschlacht aus. Sie braucht unbedingt einen halbwegs normal bezahlten Job. Vielleicht kannst Du ihr ja helfen?" Noch nie hatten meine älteren Geschwister bei mir um Hilfe ersucht, umso höher rechnete ich es Heinz an, sich für jemand Anderen stark zu machen. Wir gingen wieder zu Mutter hinein, aßen mit ihr ein Stück von Renates selbst gebackenem Kuchen. Gegen siebzehn Uhr lösten wir den Besuch auf, Mutter war müde geworden.
Geschickt hatte Heinz mich und Gertrud von den Anderen isoliert, so konnte ich sie ohne Zuhörer ansprechen: "Heinz hat mir ansatzweise von Deiner derzeitigen Situation berichtet. Wenn Du ein wenig Zeit hast, würde ich gerne mehr über Dich erfahren. Auch wenn Ihr es nie bemerkt habt, ich habe Euch alle gern." Dass Gertrud nah am Wasser gebaut hatte, hatte Mutter mir mal erzählt. Es jetzt zu erleben, war neu für mich. Ich nahm sie in den Arm und nun regnete es Sturzbäche.
Auf dem Besucher-WC machte sie sich kurz frisch, dann liefen wir unseren Geschwistern nach um ihnen ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen. Gertrud stieg bei mir ein und erzählte ihr Leid. Sie campierte bei einer Freundin und Haralds Neue war schon in ihr Haus eingezogen. Auch wenn sie es nicht aussprach, meine Schwester war praktisch Pleite. Ich zeigte ihr die bezugsfertige Einliegerwohnung ...