Sandstürme - Start in ein neues Leben
Datum: 18.04.2020,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Bill Hayman
"Fifty, fourty, thirty, twenty, Retard", zählte eine automatisch generierte Männerstimme mit einem bestimmenden und zugleich blechernen Tonfall rückwärts. Schnell zog ich die Schubhebel des Airbus in den Leerlauf. Sekunden später setzte der Vogel fast geschmeidig anmutend auf der Piste in Köln auf. Über drei Jahre lang habe ich diese Maschine mehrmals täglich auf einem Flughafen in Europa, Nordafrika oder im Nahen Osten sicher gelandet.
Diese Landung war aber anders. Handwerklich unterschied sie sich kaum von meinen tausend bisherigen auf diesem Flugzeugmuster. Aber diese Landung stellte indirekt die Weiche meines Lebens. Es war die letzte hier in Köln. "Das hast du spitze hinbekommen", platzte es aus meiner Schwester Natalie auf dem Jumpseat hinter mir heraus. Jumpseat wird in der Fliegerei ein Klappstuhl bezeichnet, auf dem ein Beobachter oder ein Gast im Cockpit mitfliegen darf. Uwe, mein wohl letzter Kapitän auf dem A319 pflichtete ihr bei. Ich glaube mehr, weil er Gefallen an ihr gefunden hatte, als dass sie seiner Meinung nach recht damit hatte.
"So, das war es jetzt für dich hier in Köln?", fragt er rückversichernd nach, während ich von der Piste auf die Rollbahn zusteuerte. "Ja ein komisches Gefühl, den Flieger hier ein letztes mal durch die Nässe zu manövrieren und übermorgen schon ins sonnige Dubai aufzubrechen", gab ich meine Gefühlswelt offen zu.
"Da ist Martin schon ein Glückspilz", sage Natalie zu Uwe. Ihre Blicke streiften sich und blieben wie ...
... Magnete aneinander haften. Am liebsten hätte ich laut in meine Hände geklatscht und gesagt: "So, fokussiert euch wieder, noch stehen wir nicht am Gate". Es ist schliesslich meine Schwester. Ok, sie ist Single, sieht, sofern man das als Bruder beurteilen mag, gut aus und auch Uwe ist so eine Art braungebrannter Surflehrertyp. Und die vier silbernen Streifen auf der Schulter lassen ihn noch etwas imposanter aussehen. Sie hätten eigentlich gut zueinander gepasst. Das wussten sie. Aber eben, es ist meine Schwester verdammt. "Uwe, kannst du nochmal kurz checken, ob wir wirklich Standplatz C4 haben?", sagte ich ruhig mit kontrollierter Stimme.
Ihre Blicke liessen voneinander ab. So ist es gut, dachte ich mir. Selbstverständlich wusste ich, dass C4 absolut korrekt war. "Jao, C4 is es", bestätigte Uwe wenige Sekunden später. Noch ein letztes mal richtete ich den silbernen Vogel Richtung Terminal 1 aus, setzte die Parkbremse und schaltete die Triebwerke aus. Mit dem berühmten "Bing-Ton" gab ich in der Kabine das Zeichen, dass das Flugzeug sicher geparkt wurde und die Passagiere sich jetzt abschnallen dürfen. Das führt meist keine halbe Sekunde später zu einem sogar im Cockpit hörbaren Klick-Konzert.
Wenig später entriegelte ich auch die Cockpittür und Sonja, eine wunderschöne Brünette aus Augsburg lief schnurstracks in meine Richtung und sagte: "Geschafft mein Lieber. Jetzt verlässt du dieses triste Kaff und fliegst auf und davon ins kosmopolitische Dubai." Und sie toppte gleich ...