1. Ahrweiler - oder: das Buch des Lebens


    Datum: 11.08.2020, Kategorien: Romantisch Autor: Plautzi

    ... mich vorgesehen waren.
    
    rief ich.
    
    Kurzes Wackeln. Gut so. Sie konnte mich hören und war bei Bewusstsein. Sehr gut. Diese Frau musste unvorstellbare Qualen ertragen.
    
    Ich grub weiter. Mühsam, aber stetig. Ich hatte keine Zeit, mir um meine eigenen Schmerzen Sorgen zu machen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, diese Frau zu retten. Und wie heißt es: Der Wille kann Berge versetzen?
    
    Ein Bein hatte ich mittlerweile komplett freigelegt, das andere lag abgewinkelt noch teilweise unter Trümmer eingeklemmt. Der Fuß war seltsam verdreht. Ihre Beine waren nackt. Ich konnte einen Rocksaum erkennen, der aber sehr weit nach oben geschoben war. Unendlich viele kleine Schnittwunden waren zu sehen, aus denen Blut geflossen war, das aber schon getrocknet war. Dieser Dreck ... unbeschreiblich. Staub und Schmutz hatte alles mit einem dicken Tuch abgedeckt. Sogar der Körper der Frau war von den Trümmern kaum zu unterscheiden, und hatte seine sonst rosige Fleischfarbe vollständig eingebüßt.
    
    Es roch nach Fäkalien. Entweder, hier war ein Kanalrohr gebrochen, oder die Frau hatte sich in die Hosen gemacht, was mich angesichts ihrer aussichtslosen Situation nicht verwundert hätte.
    
    Immer wieder rede ich ihr zu, berührte Sie, um ihr das Gefühl zu geben, dass ich bei ihr bin.
    
    versuchte ich sie zu beruhigen.
    
    Es ging langsam voran. Beide Beine waren nun frei, eines davon, das Linke, deutlich sichtbar mehrfach gebrochen.
    
    Ihr Unterleib war erreicht. Ein Tanga versuchte ihre Scham ...
    ... zu verbergen. Aber das kleine Stück Stoff war damit hoffnungslos überfordert. Normalerweise würde ich den Anblick schöner Schamlippen genießen, doch jetzt hatte ich keinen Blick dafür.
    
    Und ja, sie hatte sich in die Hosen gemacht. Das kleine Geschäft sicher öfter als einmal, und das Große lag als Haufen neben ihrem kleinen Po. Ich suchte mir ein Stück Pappe, und entsorgte den stinkenden Klumpen am anderen Ende des Hohlraums.
    
    So langsam gehen mir die Superlative dafür aus, was diese Frau ertragen musste. Die letzten Stunden mussten die Hölle für sie gewesen sein. Wie oft hatte sie gebetet in der Hoffnung endlich gerettet zu werden, oder dass es möglich schmerzlos zu Ende gehen möge. Wie oft war ihr Leben vor ihren Augen vorbeigezogen, wie sehr hatte sie mit ihrem Leben abgeschlossen? Sie musste hilf- und tatenlos miterleben, wie ihr kleiner Körper schwächer wurde, wie ihr die Kraft ausging, und sie auch noch das letzte bisschen Hoffnung verlor. Sie musste bei vollem Bewusstsein spüren, wie
    
    das Leben Stück für Stück aus ihrer sterblichen Hülle wich. Doch nun war ich für sie da, was ihr neue Zuversicht gab.
    
    Ich zog einen langen Balken neben der Frau weg, und schob ihn gleich nach oben zu meinem Helfer durch. Dort hatten sich noch mehr Leute eingefunden die begannen, den Spalt weiter zu öffnen, durch den ich in das Innere gekrochen war. Außerdem hörte ich Bagger brummen, die den Haufen von oben herab vorsichtig abtrugen.
    
    Der Balken hatte ein Loch neben der Frau ...
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