1. Ahrweiler - oder: das Buch des Lebens


    Datum: 11.08.2020, Kategorien: Romantisch Autor: Plautzi

    ... Dreck. Haare, Gesicht, Kleidung, einfach alles.
    
    Auf meinem Weg zurück zum Spalt zog ich ihn mit mir. Vorsichtig. Die Arme des Hundeführers streckten sich mir entgegen. Es tat gut zu wissen, dass da oben noch jemand war.
    
    Ich schob den kleinen Jungen in seine Richtung, bis mein Helfer ihn am Pullover packen und nach oben ziehen konnte.
    
    Es erfüllte mich mit Trauer, aber es blieb keine Zeit zum Nachdenken. Das Leben der Frau stand auf dem Spiel.
    
    Bei aller Tragik konnte mein Fund immerhin dazu beitragen, dass seine Eltern von ihm Abschied nehmen konnten, und ihn liebevoll beerdigen durften.
    
    Ich war zurück in den Hohlraum gekrochen. Pling ... Pling ... pling ... Das Schlagen von Metall auf Metall war jetzt deutlich lauter. Und ich konnte genau hören, woher es kam. Ich musste ein paar sperrige Trümmer zur Seite stemmen.
    
    Der Platz in dem kleinen Hohlraum war eh schon sehr eng. Ich konnte mich kaum darin bewegen. Hier auch noch Platz für hinderliche Brocken zu finden, nahezu unmöglich. Ich rief dem Helfer zu, dass ich einen Korb bräuchte, mit dem wir den Schutt nach oben ziehen könnten. Den ganzen Haufen von oben nach unten abzutragen, würde viel zu lange dauern, und wäre für die Überlebende viel zu gefährlich. Schräge Platten könnten abrutschen und sie im schlimmsten Fall Köpfen. Gliedmaßen würden vielleicht unnötig ge- oder zerquetscht.
    
    Nein, es galt eine andere Lösung zu finden. Schonend und kalkulierbar für Retter und Opfer. Schlimm genug, dass der Junge ...
    ... sein Leben auf so tragische Weise verloren hatte. Die Nähe seines Fundortes zu dieser Frau ließ auf eine Familie, zumindest auf seine Mutter schließen. Kurz kam in mir der schreckliche Gedanke auf, dass in diesem Trümmerfeld eine ganze Familie begraben sein könnte.
    
    Der Junge war noch nicht alt, sein Alter wegen der starken Verschmutzung kaum zu schätzen. Vielleicht so 4 bis 7 Jahre alt? Wenn meine Schätzung einigermaßen stimmte, galt es hier eine junge Familie zu finden und zu retten.
    
    Auf dem Korb konnte ich nicht warten. Stein für Stein warf ich durch den engen Spalt nach oben. Ich hatte keine Ahnung, wie instabil der Schutthaufen war. Aber das Risiko selbst verschüttet zu werden, musste ich einfach auf mich nehmen.
    
    Nach einer ganzen Weile konnte ich einen Fuß freilegen. Er gehörte zu der Frau. Ich erkannte das an seiner Größe, vielleicht 37? Und er war schlank und zierlich. Und das Schönste war, er bewegte sich, als ich ihn berührte.
    
    Ich rief ihr zu, dass ich sie bald befreien, und alles gut werden würde. Vielleicht war es auch nur der verzweifelte Versuch nicht nur ihr, sondern auch mir Hoffnung einzureden.
    
    Meine Arme schmerzten, und meine Hände brannten, trotz der dicken Lederhandschuhe, wie Feuer. Sicher war ich über und über mit blauen Flecken übersät.
    
    Wenn hier wenigstens Platz für eine zweite Person wäre, dir mir helfen könnte. Keine Chance, diese Aufgabe war für mich allein Bestimmt. Wieder eine von diesen Prüfungen, die in MEINEM Buch des Lebens für ...
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