Ahrweiler - oder: das Buch des Lebens
Datum: 11.08.2020,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Plautzi
... schnell. Ich war wieder allein, und mein Gehirn begann sofort wieder mit seinen Gedanken.
Man stelle sich nur Mal vor: Man geht durch den Garten, im Arm einen Wäschekorb voll frisch gewaschener Wäsche, noch den Ohrwurm aus dem Radio im Kopf. Vielleicht hat der geliebte Ehemann seiner Frau gerade noch einen liebevollen Klaps auf den süßen Po gegeben, und der Sohn spielt in einer Sandkiste. Und von einer Sekunde auf die andere, verändert sich alles. Man wird von einer Welle mitgerissen, ein Haus stürzt über einem zusammen, und löscht mit einem Schlag zwei unschuldige Leben aus. Eine rundum glückliche Welt von einem wütenden Strom mitgerissen, der sonst nur ein friedliches Bächlein war.
Die Frau, eben noch eine glückliche Ehefrau und Mutter, blitzartig zur Witwe geworden. Da ist das Stehen vor dem Nichts und der Obdachlosigkeit das Kleinste ihrer Probleme.
Man würde ihr sicher mit Kleidung aushelfen, denn sie besaß nicht mal mehr eine saubere Unterhose, geschweige denn warme oder Regenkleidung. Nichts war ihr geblieben, und vielleicht würde sie sogar ihren Lebenswillen verlieren, wenn man ihr die schlimmen Nachrichten überbringen würde.
Ich hatte mir eine Freischicht verschafft. Man hatte mich gefragt, ob ich zusammen mit dem Pastor ins Krankenhaus fahren würde. Ich, als ihr Retter, und der Pastor ... na ja, sein Auftrag war mehr als klar definiert.
Wir hatten leise an die schwere Zimmertür geklopft. Ein 'herein' war nicht zu hören, deshalb öffnete ich leise und ...
... steckte meinen Kopf durch den Türspalt.
Zwei Frauen teilten sich das Krankenzimmer, und beiden schliefen fest. Eine der beiden Patientinnen hatte das linke Bein in einem dicken Gips, der über ein seltsam anmutendes Gestänge nach oben gezogen war. An den Enden der Schnüre waren Gesichte angebracht, die für den nötigen Ausgleich zum Gewicht des Beines sorgten.
Sie musste diejenige sein, die wir besuchen wollten, denn die andere hatte keine sichtbaren Verletzungen. Die mit dem Gips passte einfach besser zu dem Verletzungsmuster, was mir in Erinnerung geblieben war.
Das Schild an ihrem Bett bestätigte meinen Verdacht. "Wahlers" stand da. Und noch etwas: "Imke"
Zwei Schritte brauchte ich, um vom Fußende zu ihrem Gesicht zu kommen. Man hatte sie gewaschen, ihre Haare gemacht, und ihr ein sauberes Nachthemd angezogen.
Ich schlug meine Hände vors Gesicht, und weinte. Das Gesicht vor mir kannte ich nur zu gut. Sie war MEINE Imke, die ich geliebt, aber auch so plötzlich aus den Augen verloren hatte. Noch immer hatte sie diese rötlich schimmernden Haare, die ich so an ihr mochte, und die sie selbst immer gehasst hatte, weil keine Kleidung gut genug zu ihrer Haarfarbe passte.
Imke lag vor mir, schlief sich gesund und ahnte nicht, welches grausame Schicksal sie erlitten hatte. Ich war mir plötzlich nicht mehr sicher ob es richtig war, dass ich ihr die Nachricht überbringen sollte. Vielleicht würde sie mir das nie verzeihen.
Andererseits war sie meine beste Freundin, ...