1. Ahrweiler - oder: das Buch des Lebens


    Datum: 11.08.2020, Kategorien: Romantisch Autor: Plautzi

    ... ein paar Freunde, die froh waren, dass uns nichts passiert war.
    
    Und so hatte ich die Haustür hinter mir noch nicht ganz ins Schloss fallen hören, als mich meine Mitarbeiter belagerten. Zuerst ging es darum von mir zu erfahren, ob es dort wirklich so schlimm aussah, wie es im Fernsehen dargestellt wurde. Ich schilderte meine Eindrücke und Erlebnisse was sie zu dem Schluss kommen ließ, dass die Wirklichkeit noch zig Mal schlimmer war, als es die Medien rüberbringen konnten. Und so war es ja auch.
    
    Mit besonderer Hingabe erzählte ich, wie ich Imke aus den Trümmern befreien, aber ihre Familie leider nur tot bergen konnte. Dass wir früher ein Paar waren, ließ ich dabei weg.
    
    Dann ließ ich mich von meinen Mitarbeitern auf den neusten Stand bringen. Ließ mir ihre Entwürfe zeigen, und betrachtete fertige Ergebnisse. Danach checkte ich meine Emails. Das Postfach lief quasi über. In den knapp drei Wochen hatten sich deutlich über vierhundert Mails angesammelt. Sinnvollerweise hatte ich eine Weiterleitung an meine Angestellten eingerichtet, sodass die Wichtigsten bereits bearbeitet waren, und nur noch zu meiner Information dienten. Und trotzdem kostete es mich einen ganzen Nachmittag alle durchzusehen, und die Spreu vom Weizen zu trennen.
    
    Wie immer hatten es ein paar Nachrichten durch den Spamfilter geschafft, die aber schnell als solche entlarvt und gelöscht waren. Dann erstellte ich mir eine ToDo-Liste für die nächsten Tage. Eine ganze Reihe an Rückrufen galt es ...
    ... abzuarbeiten, Anfragen potentieller Neukunden mussten beantwortet, Angebote verschickt werden, und viele Besuche bereits bestehender Kundenkontakte waren nötig geworden.
    
    Die ersten zwei Wochen nach Ahrweiler hatte ich so gut wie kein Privatleben mehr. Wenn ich nicht gerade wie ein Toter - sorry, blöder Vergleich - schlief, verbrachte ich jede Sekunde im Atelier. Meine Angestellten hatten super gearbeitet, alles war zu vollsten Zufriedenheit der Kunden erledigt worden. Und in jedem Gespräch das ich führte, waren meine Auftraggeber voll des Lobes über sie.
    
    Maja, die jüngste meiner Mitarbeiter, war es schließlich, die in einer ihrer Mittagspausen zu mir kam, schüchtern vor sich auf den Boden sah, und verlegen ihre langen Haare zu kleinen Locken um den Zeigefinger drehte.
    
    Ich sah ihr an, dass sie was auf dem Herzen hatte, was vorzutragen ihr sichtlich schwerfiel.
    
    fragte ich sie deshalb.
    
    Brauchte ich erst Maja's Frage um mir darüber Gedanken zu machen? Sie hatte recht, ich brauchte den Abstand zu den Bildern aus Ahrweiler in meinem Kopf. Und das waren nicht nur Bilder der vielen schlimmen Dinge, die ich sehen musste. Es waren auch ganz viele von Imke dabei, wie ich sie zwischen den Trümmern fand, bis hin zu unserem traurigen Abschied.
    
    Ich sah sie ungläubig an. Niemals hätte ich gedacht, dass die Spuren in meinem Inneren so offensichtlich waren, und ich hatte die Feinfühligkeit meiner Mitarbeiter unterschätzt. Ich konnte es nicht länger verheimlichen. Vielleicht war es ja ...
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