Ahrweiler - oder: das Buch des Lebens
Datum: 11.08.2020,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Plautzi
... Fluten fortgespült, oder unter meterdicken Schuttbergen begraben. Mir schossen die Tränen in die Augen. Wo um Himmelswillen sollte man hier anfangen? Wo war die größte Not, oder wer brauchte die dringlichste Hilfe?
Ich schickte ein Stoßgebet in den Himmel, und bat um Kraft. Auch dafür, die richtigen Entscheidungen zu treffen, und das Richtige zu tun.
Der Leiter der örtlichen Feuerwehr kam zu mir, nahm seinen Helm ab, und gab mir die Hand zur Begrüßung.
sagte er mir. Die Erschöpfung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
Die Pause, die sich durch unser Gespräch ergab, hatte er bitter nötig. Ganz sicher sahen seine Männer ähnlich müde und erschöpft aus, wenn nicht sogar noch schlimmer.
Sein Schutzanzug hatte seine ursprüngliche Farbe eingebüßt, verdreckt, teilweise eingerissen. Sogar die neongelben Leuchtstreifen waren an einigen Stellen kaum noch zu erkennen.
Der Einsatzleiter setzte sich auf einen alten Plastikkanister, der verbeult am Straßenrand lag, und stützte sich mit den Ellenbogen auf seinen Knien ab. Mit beiden Händen fuhr er sich ein paarmal durchs Gesicht, so als würde er sich waschen. Dabei wollte er sich nur die Dreckbrocken von der Haut reiben, die auch seine Wimpern und Augenbrauen verklebten. Der Mann sah fürchterlich aus und ich wußte, spätestens morgen würden wir auch so aussehen.
Ich versorgte ihn mit den wichtigsten Informationen: wieviele Männer und Frauen ich mitgebracht hatte, ob es Spezialisten in meinem Team gab, und vor ...
... allem, wie lange wir bleiben konnten. Meine beteiligten Feuerwehren waren für die nächsten zwei Wochen bei unserer zuständigen Leitstelle abgemeldet.
meinte er
fügte er schnell hinzu.
Er fuhr mit seinem BMW vor uns her. Es war mühsam den Trümmern und Schlaglöcher in den Straßen auszuweichen.
Manche Löcher waren so tief, dass man sich dort ohne Weiteres schwere Schäden an den Rädern und Achsen der Fahrzeuge einfangen konnte.
Bei mir im Fahrzeug war eine bedrückende Stille. Schon seit wir in Ahrweiler eingefahren sind. Wenn wir sonst zu Einsätzen unterwegs waren, war es deutlich lauter. Aber heute war es mucksmäuschenstill, und ich denke, in den anderen Einsatzwagen war die Stimmung ähnlich bedrückt.
Die Eindrücke überwältigten mich. Überall arbeiteten Menschen zusammen, die sich vorher noch nie gesehen hatten. Nachbarn unterstützten sich beim Wasser schaufeln oder bauten notdürftige Wassersperren. Durchnässte und aufgequollene Möbel wurden aus den Häusern getragen. Die Bewohner hier werden alle wieder bei Null anfangen müssen, soviel ist sicher.
Ich machte Fotos mit dem Handy. Nicht aus Schadenfreude oder weil ich mich an den schrecklichen Bildern ergötzen wollte, sondern weil ich sie später zu einem umfassenden Bericht zusammenfügen musste.
Es fällt mir schwer, mich im Nachhinein an jede Kleinigkeit zu erinnern. Aber das Ganze hier, wird für immer in meinem Gehirn eingebrannt sein.
Wir durften unsere Wagenburg auf einem alten Schulhof aufschlagen. Dort ...