1. Die Adjutantin 01


    Datum: 01.04.2021, Kategorien: Schwule Autor: byGesa

    Dies ist der erste Teil von Adjutantin. Eine Geschichte über eine missglückte Flucht, die einen jungen Mann in eine ungewisse Rolle bringt. Teil 2 ist vorgesehen.
    
    Adjutantin - Teil 1
    
    1.Martin Sahn
    
    Ich bin bedrückt. Die Zukunftsaussichten meiner jüngeren Schwester Mandy für die Jahre ab 1986 sehe ich düster, obwohl ihr meine vietnamesisch-stämmige Mutter immer das Gegenteil prophezeit hat. Spätestens in zwei Monaten wird sie ihr 18. Lebensjahr vollendet haben -- und sie hat noch immer keine Aussichten für eine Aufnahme in ein Studium an der Humboldt-Universität, sondern bestenfalls eine Arbeit als Sekretärin oder Sanitäterin.
    
    Für mich selber sieht es da viel besser aus. Gut, ich habe noch ein Semester als Wartezeit und dabei meine Lehre als PTA schon beendet, aber mein Pharmaziestudium an der FU Berlin war so gut wie sicher. Das ganze praktische Arbeiten dort hatte seine Vorteile. Die meisten PTAs waren junge, nette Mädels. Ganz nebenbei hatte ich mit ihnen Kochen gelernt und mochte das auch. Im Pharmaziestudium sollte das auch nicht viel anders sein, so wie ich das gehört hatte.
    
    In der DDR sah die Zukunft meiner Schwester für eine gewisse Zeit auch positiv aus. Selbst noch vor gut einem Jahr zum Beginn von 1985 rechnete sie damit, sogar eine Ausbildung an der Charité in Berlin zu erreichen, wenn sie vorher in die Partei eintrat. Dann kam der Moment, in dem sie im Urlaub in Ungarn einen westdeutschen Arzt traf. Sie wurde diskret durch ihren Klassenlehrer ...
    ... gewarnt, dass Kontakte mit Westlern unerwünscht waren. Sie schrieb dem Arzt trotzdem einen Brief. Er besuchte sie später in Ost-Berlin -- und dann wollte er sich mit ihr verloben.
    
    Es kam, wie es kommen musste. Mandy bekam einen Besuch, diesmal ein Kontakt direkt durch die FDJ. Weshalb sie sich, obwohl in der FDJ, mit einem Westdeutschen verlobt hätte?
    
    Sie könne froh sein, wenn sie als Putzfrau in einem Krankenhaus arbeiten dürfe, hieß es. So eine wie sie könne man nicht als Studentin fördern. Sollte sie einen Ausreiseantrag stellen, würde bestimmt die Stasi dafür sorgen, dass eine Bewilligung bestenfalls in fünf Jahren erfolgen würde. Bis dahin hätte der Arzt sich bestimmt schon mit einer anderen verheiratet...
    
    Und danach bekam sie die Absage für die Aufnahme des Medizin-Studiums. Es gab auch keine Alternativen für ein Studium an einem anderen Ort in der DDR oder in einer anderen Fachrichtung. Das Abitur würde sie in einem Monat haben, aber was danach kam, war mehr als ungewiss. Es war eine Zeit der Hoffnungslosigkeit. Aus dieser Verzweiflung heraus beging sie nicht nur eine Dummheit, sondern gleich mehrere davon. Sie kontaktierte eine kirchliche Oppositionsgruppe, sagte ihrer Mutter das aber nicht. Sie erkundigte sich nach der Möglichkeit für einen Ausreiseantrag. Ihr wurde nicht viel Hoffnung auf baldige Genehmigung gemacht.
    
    Eine Freundin in der FDJ riet ihr zu einer riskanten Strategie, wenn sie unbedingt etwas mit einem Medizinstudium erreichen wolle. Sie könne sich ...
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