1. Der süße Fratz (Elisa)


    Datum: 12.06.2019, Kategorien: Romantisch Autor: Plautzi

    ... verhindern einen direkten Blick auf das Gesicht der Frau. Ich sehe feingliedrige Finger an den Händen, die wegen der Kühle weit in die Ärmel der Jacke zurückgezogen sind. Ihren Kopf hat sie ebenfalls tief in die wärmende Jacke gezogen. Sie friert, das ist mehr als offensichtlich. Sie zittert, und drückt das Wäschebündel fest an sich. Es versetzt mir einen Stich ins Herz bei dem Anblick.
    
    Langsam, leise aber offen, gehe ich auf die graue Jacke zu. Sie nimmt mich erst spät war, weil sie so insich gekehrt ist. Keine Ahnung, wo sie gerade mit ihren Gedanken ist. Aber als sie mich bemerkt sieht sie mich wie einen Geist an. Ich kann den Schrecken in ihrem Gesichtsausdruck deutlich sehen. Ein zartes Gesicht, es sieht fast ungesund schmal aus. Ihre Augen sind rot verweint, der schwarze Kajal zu einer verwässerten Schmiererei auf den Wangen und den Augen verteilt. Die Haare haben sicher auch schon länger kein Wasser mehr gesehen. Strähnig und lieblos umrahmen sie diese Augen, die Wangenknochen, die süße -gepiercte- Stupsnase, und die hübsch geschwungenen Lippen. Sicher hat sie süße Grübchen an den Mundwinkeln, wenn sie lächelt. Im Moment kann ich nur stehen und sie ansehen.... Ihr Alter schätze ich auf 17-19 Jahre.
    
    Sie mustert mich von oben nach unten, und wieder zurück. Einen Moment wissen wir beide nicht, was wir sagen sollen. Es kommt mir vor, als wenn sie das Wäschebündel noch ein Stück fester an sich drückt. Tränen laufen unaufhörlich ihre Wangen herunter.
    
    Ich atme tief ...
    ... durch, muss mich erst sammeln und nach den richtigen Worten suchen. Ich möchte helfen ohne aufdringlich zu wirken.
    
    "Hallo, ich bin Pascal, darf ich mich zu dir setzen?" frage ich vorsichtig. "Das ist ein freies Land!" antwortet sie leise mit verweinter Stimme. Ich setze mich auf die freie Schaukel rechts von ihr.
    
    "Geht es dir nicht gut, kann ich dir irgendwie helfen?" frage ich weiter.
    
    "Warum immer ich..., warum immer ich...?" murmelt sie verzweifelt. "Ist es so schlimm? Möchtest du darüber reden? Manchmal hilft das schon ein wenig." versuche ich ein wenig an sie heran zu kommen.
    
    "Du kannst mir sicher nicht helfen, du bist zu jung und sicher auch so einer...!" weint sie jetzt etwas lauter. Kurz fehlen mir die Worte. "Wie kannst das wissen? Wir können ja zusammen nach einer Lösung suchen. Du erzählst mir was dich bedrückt, und ich sage dir ob ich helfen kann. Wenn ich nicht helfen kann, kannst du immer noch gehen."
    
    "Ich kann nicht gehen, ich wüsste nicht mal wohin." "Wieso, hast du keine Wohnung?" "Das ist eine lange Geschichte." sieht sie mich an. "Ich habe Zeit." antworte ich mit warmer Stimme. Sie zittert, am liebsten würde ich sie in den Arm nehmen um sie zu wärmen. Aber das traue ich mich nicht. Noch nicht.
    
    Sie sieht mich eine Weile an. Ich erkenne den inneren Kampf, den sie gerade mich selbst führt.
    
    Engel rechts, Teufel links. Der Engel scheint gewonnen zu haben, denn leise fängt sie an zu erzählen. So erfahre ich, dass sie Kim heißt, 21 Jahre alt ...
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