Der Cassandra Komplex
Datum: 24.08.2023,
Kategorien:
Romantisch
Autor: postpartem
... sicher fortsetzte und tatsächlich blitzschnell damit fertig wurde. Ich fand mich also mit meiner vorläufigen Niederlage ab und verstaute den Aushang in einer meiner Taschen.
Gut, dann eben beim nächsten Versuch, den es doch hoffentlich noch geben würde. Dann konnte ich Tesa vom Laden oder von zuhause mitbringen. Wenigstens ein vernünftiger Ausgang des Geschehens.
"So, dann lass uns", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
Also gut, eine Rückkehr zum formellen Sie war nun nicht mehr möglich. Worüber sollte ich mich auf dem Weg zur Wohnung mit dieser wildfremden Person unterhalten? Sie hatte da bereits ihre Ideen.
"Wie groß ist die Wohnung insgesamt?", wollte sie wissen.
"Dreieinhalb Zimmer, wobei ich in dem halben eine kleine Bibliothek einrichten wollte. Das Zimmer, um das es geht, wurde bis vor kurzem von meiner verstorbenen Mutter bewohnt."
"Das tut mir schrecklich leid. Dann sitzen wir in einem Boot, weil sich unser beider Leben so radikal verändert hat und können uns aneinander aufrichten."
Oh Gott, nicht das. Für einen Moment hoffte ich, dass sich das Zimmer in meiner Abwesenheit radikal verändert hatte, denn diese Claudia würde nichts anderes mehr abschrecken können.
Und wenn ich ihr erzählte, ich freute mich über einen weiblichen Zuwachs, weil meine allwöchentlichen satanischen Orgien ein wenig frisches Blut durchaus gebrauchen könnten?
"Ehm... ja, es war ein trauriger Verlust, vor allem, weil er überraschend kam. Nun, Hintergrund für die ...
... Vermietung ist, dass ich ohne ihre Rente finanziell nur schwerlich über die Runden komme. Ich habe zwar mein eigenes Geschäft, aber das wirft momentan alles andere als reichlich ab und wird es auch wohl in absehbarer Zukunft nicht mehr tun."
"Geld ist doch bei allen knapp. Deshalb kann ich auch keine eigene Wohnung aus dem Stehgreif finanzieren. In einer WG habe ich seit meiner Uni-Zeit nicht mehr gewohnt. Es wird bei uns beiden bleiben, oder willst du noch ein weiteres Zimmer vermieten?"
Ich hatte das Gefühl mit jedem ihrer Sätze immer mehr an eine Situation gefesselt zu werden, die eigentlich mein Einverständnis voraussetzte, aber wo mir offenbar jedes Stimmrecht genommen war. Wie machte sie das?
"Nein, es bleibt bei dem einen Zimmer. Da sind wir schon. Es ist im dritten Stock. Soll ich dir vielleicht welche von deinen Tüten abnehmen?"
"Ein Kavalier der alten Schule, na wunderbar. Nein danke, so schwer sind sie nicht und wie wir festgestellt haben, haben wir beide unsere Päckchen zu tragen. Was für ein Geschäft betreibst du?"
"Ein Antiquariat. Und hier eine Bibliothek einzurichten bedeutet in diesem Fall nicht Arbeit mit nach Hause zu nehmen, sondern meine Passion."
Zum ersten Mal zeigte ihr Gesicht so etwas wie den Ansatz zu einem Lächeln. Was mochte sie gerade durchmachen oder bereits durchgemacht haben? Bloß nicht dran rühren.
"Dann solltest du ein paar Regalbretter für mich mit einplanen, ich lese ebenfalls leidenschaftlich gern."
Nein, auf so ...