Der Cassandra Komplex
Datum: 24.08.2023,
Kategorien:
Romantisch
Autor: postpartem
... konnte, wollte mir allerdings nicht aufscheinen. Mein psychologisches Halbwissen konnte da sicher nur mehr Schaden, denn Nutzen bringen. Es war auch sicher nicht Teil des Untermietvertrags, den ich noch am späten Abend formuliert hatte.
Der ein Entgegenkommen an beide war. Keine Kaution, nur ein Monat Kündigungsfrist. Eine temporäre Vereinbarung, mit der wir beide gut leben konnten. Hatte sie sich beruhigt und ihr Leben ebenso, würde sie weiterziehen und ich konnte diese wie viele andere Erfahrungen zuvor unter "erlebt, besser nicht wiederholen" abheften. Eine gewisse Neugier und vielleicht sogar Vorfreude auf sie und die Zeit mit ihr bemerkte ich allerdings an mir auch.
Sie half mir den breiten und schweren Lieblingssessel meiner Mutter in den Keller zu tragen. Ich hatte ohnehin Sperrmüll beantragen wollen, nicht nur auf dem Balkon hatte sich einiges angesammelt.
"So, das haben wir. Du möchtest doch sicher mit dem Einräumen beginnen?", schloss ich von mir auf ihre Vorhaben.
"Nein, das hat Zeit, ich habe mir bis Ende der Woche freigenommen. Ich finde, wir sollten ein Glas Wein trinken und uns näher kennenlernen", entgegnete sie zu meiner Überraschung.
Hm, eine Gelegenheit sie mit den Regeln und Abläufen vertraut zu machen? War das Gerücht wahr, dass Frauen endlos viel Zeit im Bad verbrachten? Meine Mutter hatte dies nicht getan, mal abgesehen von den letzten Jahren aufgrund der Krankheit. Ja, es gab meinerseits erhebliche Informationsdefizite. Auf eine ...
... Situation, die man nicht kennt, kann man sich nur schwerlich einstellen.
"Gerne. Wie du möchtest. Ich habe eine Auswahl an trockenem Bordeaux oder einigen Chablis, wenn dir der Sinn mehr nach Weißwein steht."
Sie ließ sich die Auswahl zeigen und wählte zielsicher die beste und schwerste rote Variante. Gut, eine erste Gemeinsamkeit. Notfalls konnten wir uns gemeinsam den Kopf zudröhnen, wenn alles andere versagte. Hatte mit meinen Kameraden oft genug funktioniert. Wenn auch auf weit weniger zivilisierten Niveau.
Nur das Geräusch einer in nächster Nähe explodierenden IED kriegt man so nicht aus dem Bewusstsein. Die Schreie der Verletzten, die sich über den Tinnitus hinwegheben, aus dem satten dumpfen Schock mitten hineingeraten und mehr oder minder unverletzt die Sache überstanden zu haben, der gleich der Nachwirkung der Explosion, alle anderen Geräusche wie in Watte dämpfte.
"Was machst du beruflich?", versuchte ich das Gespräch in Gang zu bringen, weil ihre stumme Musterung meiner Person mich langsam nervös machte.
"Ich bin Physiotherapeutin an der Universitätsklinik. Allerdings arbeite ich nur zwanzig Stunden die Woche, ich teile mir den Arbeitsplatz sozusagen mit einer Kollegin."
Aha, dann machte ihr finanzieller Engpass mehr Sinn. Sie sah mich prüfend an.
"Hast du irgendwelche Schmerzen, bei denen ich dir vielleicht helfen kann?"
"Nein, wie kommst du darauf?", gab ich verblüfft zurück.
"Du sitzt kerzengerade, als ob du eine Rückenverletzung hast und so ...