Der Cassandra Komplex
Datum: 24.08.2023,
Kategorien:
Romantisch
Autor: postpartem
... Indizien, dass einiges bei mir in Bewegungen geraten war, was mein Leben verschönerte und bereicherte. Ich sah mich und die Welt mit anderen, wacheren Augen. Und sie schaute plötzlich zurück.
Die erste Yoga-Stunde. Eigentlich hatte ich aufgrund meiner Fitness und der wahrgenommenen Ähnlichkeit zu mir bekannten Dehnungsübungen aus meiner Aktiven-Zeit keinerlei Gedanken darüber gemacht, dass es nicht so leicht sein könnte, wie es aussah. Eher, dass mich ihre enge Kleidung nachhaltig ablenken könnte.
Doch außer einer Bewunderung für ihre Beweglichkeit drang nichts dergleichen in mein Bewusstsein, dafür sorgte sie schon mit, nun, einer Härte und Unerbittlichkeit, wie ich sie noch von keinem meiner Trainer in der Vergangenheit oder Gegenwart erlebt hatte.
Korrekt in die von ihr gezeigten Asanas, wie diese Positionen genannt wurden, zu kommen war schon schwierig genug. Die von ihr geforderten Zeiten darin zu verharren, ging zum Teil an die Grenzen meiner Möglichkeiten. Und genau das war das Geforderte und Gewünschte.
So viel hatte ich noch nie beim Sport gezittert und mich gequält und ich fragte mich oft, ob sie diesen Spruch von "grausam bin ich nicht" vielleicht nicht doch etwas vorschnell und unreflektiert hervorgebracht hatte. Aber es hatte einen Sinn und Zweck, wie ich zum Abschluss dieser anderthalb Stunden dann erlebte. Die Entspannung, die ich hernach erlebte, war unglaublich.
Ganz anders als nach der Massage, tiefer und eindrucksvoller, dabei umfassender. ...
... Sie dehnte sich nicht auf den Körper und dort tatsächlich jeden meiner Muskeln, sondern auch auf den Atem und den Geist aus. Noch nie hatte ich so tief und leicht geatmet, noch nie hatte ich so ein Gefühl von Ruhe und Frieden in mir selbst empfunden.
"Und? Wie fühlst du dich?", fragte Claudia mit einem sanften Lächeln.
"Unglaublich. Total entspannt und gleichzeitig total energiegeladen. Was nach dieser Tortur an ein Wunder grenzt."
"Ich hoffe, ich habe dich nicht überfordert?"
"Ehm... es gab Zeiten, wo ich nahe am Schreien war. Gute Frau, du hättest ohne Weiteres eine Karriere beim Bund als Ausbilderin machen können. Wobei die im Vergleich zu dir fast zärtlich mit uns umgegangen sind. Und das ist bei Frauen so beliebt? Meine Bewunderung für das ach so schwache Geschlecht wächst von Minute zu Minute."
"Na, so wie das hier praktiziert wird, ist es auch nicht so hart. Was du gerade erlebt hast, habe ich bei meinem ersten Aufenthalt in Indien erlernt. Richtiges Yoga, so wie gedacht ist, nicht was hier so angeboten wird. Mir ging es trotz zweijähriger Vorbildung nicht viel anders als dir. Obwohl du sicher noch härter zu kämpfen hattest, mit deinen ganzen Muskelpaketen, das muss eigentlich eher hinderlich sein."
"Und das tust du dir jeden Morgen an? Gibt es da vielleicht einen masochistischen Zug an dir, von dem ich noch nichts weiß?"
"Spinner. Nein, das ist nur ganz am Anfang so, dann wird es immer leichter. Jetzt ist es nur noch ein absolut natürliches und ...