Jugendsünden
Datum: 08.02.2019,
Kategorien:
Reif
Autor: lost_of_mind
Ein unerwartetes Wiedersehen nach 33 Jahren. Ich erzähle hier eine fast wahre Geschichte. Oder ist sie Wahr? Lies und vermute selber. Autorenrechte © bei lost_of_mind, bitte keine unerwünschte Veröffentlichung.
Jugendsünden
Urplötzlich kam alles wieder hoch. Nach 33 Jahren.
Meine Mutter wohnt im betreuten Wohnen. Also nicht dass sie schon Pflegebedürftig wäre, aber in diese Wohnanlage ziehen viele Pensionäre, weil sie später mal individuell Pflegeleistungen dazu buchen können wenn es nötig wird. Ein weiterer Umzug wird dadurch überflüssig. Alle drei oder vier Wochen komme ich mal einen Samstag bei meiner Mutter vorbei und wir gehen zusammen Einkaufen, was sie sonst nicht im nahen Supermarkt bekommt. Oder von ihrer kargen Rente bezahlen kann. Als therapeutische Massnahme lasse ich mich geduldig mit ihren kleinen und grossen Katastrophen und Krankheiten zuschwallen. Im Alter wird scheinbar alles so dramatisch.
Seit neuestem hat sie eine andere Nachbarin, zwei Etagen tiefer, eine alte Freundin von ihr von Früher. Etliche Jahre jünger wie meine Mutter, aber ich erkannte sie sogleich wieder, wie sie zusammen am Balkon saßen und eine Tasse Tee tranken. Sich vielleicht sogar visuell an den Bauarbeitern am entstehenden Nebengebäude labten. Und sie erkannte mich natürlich auch. Sofort straffte sich ihr Körper im Stuhl, war eine ganz eigene Stimmung zwischen uns. Es brauchte sehr viel schauspielerische Disziplin damit meine Mutter keinen Verdacht schöpfte.
"Ach Jahn, ...
... freut mich Dich zu sehen! Ich darf doch noch Du zu dir sagen?" Sie reichte mir ihre zierliche Hand, schien nur oberflächlich gelangweilt.
"Ja klar, dürfen Sie! Ich bleibe bei der bewährten Anrede."
Ich lächelte sie ehrlich erfreut an, wollte oder durfte meine Freude aber nicht überschäumen lassen. Für meine Mutter waren wohl die jungen osteuropäischen Bauarbeiter am Nebengebäude wieder Interessanter. Sehen kann sie noch ganz gut.
An dieser Stelle muss ich jetzt wohl zum Verständnis sehr weit Ausholen. Also:
Wir wohnten damals in einem typischen Wohnkloo im Speckgürtel einer Großstadt. 16 unterschiedlich große Wohnungen, innen geräumige Appartements, aussen 3-Raum-Wohnungen. Der ganze Bau war um die Mittelachse gespiegelt, die gegenüber liegenden Wohnungen hatten also nur spiegelbildlichen Grundriss. Auch die Mieten waren damals für einen Alleinverdiener wie meinen Vater durchaus zu stemmen.
Es war ein Neubau, was schonmal einen gewissen Komfort für damalige Verhältnisse bot. Eben weil es ein Neubau war zogen auch alle Bewohner mit nur einem oder zwei Monaten Versatz fast gleichzeitig ein, was die Hausgemeinschaft recht harmonisch zusammenwachsen ließ. Niemand konnte sich auf vermeintlich ältere Rechte berufen, das Altersgefüge war passend. Innen wohnten überwiegend Singles und junge Paare, in den Aussenwohnungen fast nur Familien.
Wir bewohnten eine Drei-Raum-Wohnung. Wir, also mein Vater, meine Mutter, meine kleine Schwester und ich. Du wirst denken dass es ...