Grober Sand 08
Datum: 22.08.2019,
Kategorien:
Nicht festgelegt,
Autor: byLoreleyColter
Er kämpft. Ich habe ihn noch nie so gesehen. So menschlich. Er kämpft nicht mit den Fesseln, sondern gegen sich selbst. Gegen die Angst. Da ist plötzlich nichts mehr von dem furchtlosen Elitesoldaten. Er ist in diesem Moment, in diesem Bunker, einfach nur ein Mann. Er schwitzt, er blutet und er hat Angst.
Der Schleier, durch den ich ihn immer gesehen habe, lüftet sich. Mein stolzer, grausamer Hauptfeldwebel. Der Colonel hat ihm mit den Schulterklappen die Maske heruntergerissen. Was fange ich jetzt damit an? Ich bin seine Schöpfung, er hat mich nach seinem Ebenbild geschaffen. Nun steht -- hängt -- er vor mir. Und ist menschlich. Was macht das aus mir?
Ich bewege mich unbehaglich aus der dahingeworfenen Körperhaltung und suche in meiner Ecke eine halbwegs komfortable Position. Die Handschellen, mit denen ich an das Rohr gekettet bin, scheuern in den Wunden, die von den vorherigen Fesseln hinterlassen wurden.
Er reagiert auf das Klappern des Metalls. Sein Atem wird ruhiger und die Augen fixieren mich. Doch er wendet den Blick sofort wieder ab und starrt auf die Stahltür. Schämt er sich?
Ich betrachte ihn, seinen dargebotenen Körper, und frage mich, wie er an diesen Punkt gekommen ist. Es muss mit dem Colonel angefangen haben. Was hat mein Hauptfeldwebel von ihm ertragen müssen während der Ausbildung? Wenn er sie mir genauso weitergegeben hat, dann waren es Schmerzen, Demütigung und ... Mir fehlt ein Wort. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Wie ich die ...
... letzte Zutat dessen nennen soll, was mir aus seiner Hand in den vier Jahren zuteilwurde, die jetzt wohl hier ihr Ende finden.
Und ich kapiere immer noch nicht, wieso er überhaupt gekommen ist. Selbst wenn er verhaftet worden wäre für das, was er weiß, dann hätte das doch allemal besser sein müssen als alles, was der Colonel für ihn bereithält. Was verbindet ihn noch mit dem Colonel, dass er das hier auf sich nimmt? Ich lehne die Stirn an die Wand. Kondensierte Wassertropfen mischen sich mit meinem Schweiß.
„Wenn der Transport bereit steht, musst du gehen."
Seine Stimme lässt mich aus den diffusen Gedanken schrecken. Er sieht mich noch immer nicht an.
„Du darfst nicht zögern. Gib ihm keine Gelegenheit, dich zu manipulieren."
Ich starre ihn an und versuche ihn durch reine Willenskraft dazu zu bringen, mir wenigstens kurz den Kopf zuzuwenden. Erfolglos. „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass er mich gehen lässt. Warum sollte er?"
„Weil er einen Deal geschlossen hat. Daran hält er sich."
Ich kann nur schnauben. „Sicher."
Damit ist das Gespräch auch schon beendet. Erstaunlich, er hat mir das letzte Wort gelassen.
Das wieder eingekehrte Schweigen verursacht mir beinahe körperliche Schmerzen. Ich hole Luft -- und atme sie stumm aus. In mir steckt nach wie vor die Doktrin, ihm keine Fragen zu stellen. Wie hat er das bloß geschafft, mich mundtot zu erziehen? Also muss ich mich ablenken. Ich lasse den Blick durch den kahlen, lehmartigen Bunkerraum wandern. Es ...