1. Dunkles Wasser


    Datum: 12.04.2019, Kategorien: Schwule Autor: byBartolomeu_Dias

    ... Baumstamm, und setzte sich.
    
    Abendlicher Schiffsverkehr auf der Elbe; eine dunkle Barkasse tuckerte gemächlich vorbei, und wird von einem hell erleuchteten roten Schlepper überholt. In den Docks, und am gegenüberliegenden Kai, wie immer Hochbetrieb.
    
    Der Wind zerrt an Mattis viel zu dünner Nike-Jacke, weht durch seine kurzen Haare. Nach einem kurzen Blick auf das Panorama, schaut Matti an seinen in der Luft baumelnden Füßen vorbei auf den Boden. Und endlich kommen die Tränen, die seit Tagen immer wieder runtergeschluckten Tränen. Ein Zittern schüttelt seinen schmächtigen Oberkörper, und Matti krallt beide Hände in die Rinde des Baumes, Halt suchend. Doch es ist wie ein Sturz ins Bodenlose. Als das erste Zusammenkrampfen nachläßt, hebt Matti den Kopf, die Tränen tropfen ihm vom Kinn auf die Oberschenkel, und er wendet sein Gesicht dem Wind zu, und schreit so laut er kann: "Das ist nicht fair! Das ist einfach nicht fair!".
    
    Doch die Worte ergeben keinen Sinn.
    
    Lange Jahre war Matti das, was man wohl einen Einzelgänger nennt. Die letzte Liebe hatte tiefe Wunden geschlagen, und der Schmerz war ihm noch so frisch in Erinnerung, als wäre es gestern gewesen. Auf eine Art hatte er Angst vor Menschen bekommen, und hielt sich auf Distanz. Nur beim Kurier fahren konnte er zwanglos mit allen umgehen, dann war er in seiner Rolle als Stadtcowboy, einer der letzten freien Menschen.
    
    Kurier fahren; Fitneßstudio; die Kollegen; und lange Gespräche mit Frank, seinem besten Freund, ...
    ... so sah sein Leben aus. Für lange Zeit.
    
    Doch eines Tages mußte Matti in der Stammwerkstatt die Gangschaltung nachstellen lassen. Und dort war Max. Seine Tasche verrät, daß er für die Konkurrenz fährt. Blicke treffen sich, Worte werden gewechselt, ein Treffen verabredet.
    
    Als Max zuerst die Werkstatt verließ, bemerkt Matti, daß er noch einen Augenblick länger auf die Tür schaute, die gerade hinter Max zugeschlagen ist, und das eine seltsame Stille ihn ergriffen hatte.
    
    So hatte alles begonnen mit Max.
    
    Das erste Treffen war im Park, und während sie an ihren Bikes schraubten, und sich halfen verzogene Felgen zu richten, stellten sie fest, wie viele gemeinsame Interessen sie haben.
    
    Das zweite Treffen war bei Max zu Hause, und sie hatten gemeinsam gekocht. Matti war so aufgeregt, wie lange nicht mehr, besonders da er das Rezept ausgesucht hatte. Doch alles gelang, und er genoß das lange Gespräch über Literatur, neben dem Biken seine zweite Leidenschaft. Das Leben bekam unmerklich einen anderen Geschmack.
    
    Dann ging alles ganz schnell. Bücher wurden getauscht, CDs, ständig mußten wichtige Themen besprochen werden, sie trafen sich öfter, sie telefonierten.
    
    Es mußte beim fünften Treffen gewesen sein, als Matti Max küßte. Und Matti war verloren. Hoffnungslos verloren, vom ersten Augenblick an. Als er abends wieder zu Hause war, mußte er weinen. Weinen, weil er das wieder fühlte, was er all die Jahre verleugnet hatte. Er weinte und war glücklich.
    
    Eine unbändige ...
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