1. Till Eulenspiegels verschwiegene Streiche


    Datum: 26.12.2021, Kategorien: Humor Autor: Achterlaub

    ... ein großer Bottich mit heißem Wasser aufgestellt. Dorthinein sollten sich die Honoratioren mitsamt ihren Ehefrauen begeben. Damit es nicht unschicklich erscheine, hat Eulenspiegel in die Mitte des Zubers ein Brett als Sichtschutz getan. Auf jeder Seite davon sollten die Männlein und die Weiblein Platz nehmen, jeweils gegenüber ihrem Ehegemahl, aber ohne ihn oder sie recht sehen zu können. So werde der Anstand gewahrt, erklärte der Eulenspiegel dem Bürgermeister, der ob der ehrbaren Ansichten des Narren sehr erstaunt war. Gleichwohl sorgte er sich immer noch, dass ihm wieder ein Streich gespielt. Er gebot deshalb seinen Gästen, sie sollten auf keinen Fall ihren Schmuck ablegen. So saß denn der Bürgermeister mit der Amtskette und die Kaufmannsfrau mit etlichen goldenen Ketten und Reifen in der Badebütt. Auch sorgte er sich, dass der Eulenspiegel etwa die falsche Frau ihrem Ehegatten gegenüber gesetzt hatte. Er ließ deshalb alle Badegäste der Reihe nach fragen, wer ihm gegenüber sitze. Schon konnte er die piepsige Stimme der Lehrersgattin hören. Auch seine Frau antwortete mit ihrer dunklen Stimme auf die Frage nach ihrer Anwesenheit. Der Eulenspiegel hatte solches vermutet und dem vorgebeugt, indem er die Badenden jeweils um eine Person versetzt anordnete. Er wusste wie ungenau der Mensch ein Gegenüber wahrnehmen kann, das er nur hören kann. So saß dem Bürgermeister die Kaufmannsfrau und dem Apotheker die Gattin des Bürgermeisters gegenüber, ohne dass sie dies bemerken ...
    ... konnten.
    
    Nicht nur das Wasser war angenehm warm. Schon bald richtete sich der Blick der Honoratioren mehr auf das, was im Wasser zu sehen war. Die Maserung des Brettes, das vor ihren Augen stand, taugte wenig für angenehme Gedanken. Und da die ehrbaren Männer bislang ihre Ehehälfte nie so recht bloß gesehen hatten, war es ihnen eine Freude, sie einmal näher betrachten zu können. Da es den Frauen ebenso erging, öffneten sich bald deren Blüten zu einem wunderbaren Kranz, der zuweilen sogar schimmrig-rot den Stempel hervorstechen ließ. Dafür war es den Damen eine Freude, einmal den mächtigen Blütenstiel intensiv betrachten zu können. Sozusagen als Blätter diente der mächtige Busch, den die Natur mehr an die Wurzel des Stiels gesetzt hat. Natürlich dauerte es nicht lange, und unsere ehrbaren Männer begannen, die Blüte ihres Gegenüber näher zu erkunden. Schon bald verschwanden zuerst ein, dann sogar zwei Finger in dem engen Blütenring, um ihn näher zu untersuchen und die Blume noch mehr aufgehen zu machen. Dem standen die Eheweiber keinesfalls nach. Ihre Hände verstanden es prächtig, die Stängel zu festigen. Bald konnte der Eulenspiegel bis in den Nachbarraum ein heftiges Ächzen und Stöhnen vernehmen. Manche der Frauen wünschten sich sogar, einmal den Nektar der Blüte sehen zu können. Sie mussten nur einige Male kräftig den Stamm reiben. Schon lief die herrliche Flüssigkeit hinab und verband sich im Wasser des Badebottichs mit der Seife und den unsichtbaren Blütensäften der ...
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