1. Berufserfahrung zahlt sich aus 02


    Datum: 28.10.2019, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: bySPBerg

    ... Zegna-Tüte und ließ mir ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil werden. „Man muss also deutlich zeigen, dass man die Kreditkarte brennen lassen will, wenn man zuvorkommend behandelt werden möchte.", notierte ich mir im Geiste. Die Boss-Klamotte behielt ich gleich an und nahm meine Jeans und Hoodie in einer Plastiktüte mit. Den Abschluss bildete ein Besuch beim Frisör, der meine Zottelfrisur zu einem gegelten Kurzhaarschnitt stutzte.
    
    „In wenigen Stunden hast du mehr Kohle verballert, als du je auf einem Haufen gesehen hast.", ging mir durch den Kopf, als ich im beheizten Außenbereich eines Straßencafés einen Espresso trank, um etwas abzuschalten. Gedanklich rechnete ich die ausgegebene Summe in Playstations um, die ich dafür hätte kaufen können. Neun. „Puh...", entfuhr es mir. Aus dem Augenwinkel konnte ich aber erkennen, dass beim Vorüberflanieren immer mal wieder ein weibliches Augenpaar kurz zu mir herüber lugte. So etwas war mir bisher völlig unbekannt. In noch keinem Club, keiner Bar und keiner Disco hat je eine attraktive, unbekannte Frau von mir Notiz genommen. Und hier auf der Kö waren definitiv nicht die schlechtesten Geschosse unterwegs. Die Investition könnte sich also auszahlen.
    
    Am nächsten Tag stand das Winterturnier meines Tennisvereins an, in dem ich sporadisch aktiv war. Zwar hatte ich viel Freude am Spiel, fühlte mich aber als Arbeiterkind auf dem Vereinsgelände und zwischen den Mitgliedern der gehobenen Mittelschicht immer irgendwie deplatziert und als ...
    ... Außenseiter. „Da würde ich mein neues Ich doch gleich mal ausprobieren können.", dachte ich mir. Längst waren bei mir in finanziellen Dingen alle Hemmungen gefallen. Mein Sparbuch war recht gut gefüllt und ein guter Verdienst in Sicht. Daher ging es zum Abschluss meiner Shoppingtour auch noch für eine neue Sportausstattung zu Lacoste. Abends, als ich in der Dunkelheit meines Kinderzimmers im Halbschlaf lag, formte sich in meinem Kopf dann ein Plan für den nächsten Tag...
    
    Meinen Corsa ließ ich lieber in der Garage, in dem sollte mich keiner mehr sehen. Die kurze Strecke zur Tennishalle gönnte ich mir ein Taxi. Obwohl ich an diesem Tag rein gar nichts zu tun hatte, steckte ich in meinem nagelneuen Anzug. Diesmal kam ich bewusst einige Minuten zu spät und gab mich betont abgehetzt, als ich mit den Worten „Sorry, wichtige Termine!" polternd zur Gruppe der anderen Spieler im Vereinsheim stieß. Fragende, neugierige Blicke trafen mich. Gegen viele der Anwesenden hatte ich schon Medenspiele absolviert, dennoch waren sie ob meiner ungewohnten Business-Verkleidung unsicher, ob sie mich nun kannten oder nicht. Bisher wurde ich wegen meines harten Aufschlags einfach immer nur „der Lange" und nicht bei meinem Namen genannt. „Hey Leute, ich bin's doch nur, euer Leon!", ließ ich durch den Raum schallen. Man nahm mich wissend nickend zur Kenntnis und bestimmte nach der Vereinsrangliste weiter möglichst gleichwertige Doppelpaarungen für den Abend. Währenddessen warf ich mich in der Umkleide in ...
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