Grober Sand 04
Datum: 14.02.2020,
Kategorien:
Nicht festgelegt,
Autor: byLoreleyColter
Wahrscheinlich ist noch keine Stunde vergangen, aber es kommt mir vor wie eine kleine Ewigkeit, in der ich einfach nur dahänge und auf seinen nächsten Zug warte. Unter dem Stoffsack kleben mir die Haare im Gesicht. Die Nase juckt. Wo meine nackte Haut die Gitterstäbe berührt, laufen kleine Schweißperlen den Körper hinunter.
Ich habe einen neuen Feind. Den Colonel. Verbissen arbeite ich daran, das Gefühl seiner Hand zu verdrängen und mich stattdessen auf das geistige Bild meines Bewachers zu konzentrieren, auf seinen sorgfältig rasierten Schädel, seine kühlen Hände. Und auf die Lachfalten. Mir ist völlig klar, was mein Kopf gerade macht, aber für den Augenblick ist es mir recht.
Ich weiß, dass der Sergeant noch da ist. Ich höre ihn hin- und hergehen, mit den Fingern knacken. Mal setzt er sich, dann steht er wieder auf. Er ist ruhelos.
Irgendwann döse ich weg. Wenigstens mein Körper weiß die Zeit sinnvoll und kräftesparend zu nutzen. Ich träume sogar. Zumindest sehe ich Bilder. Ich befinde mich in dieser wirren Phase zwischen Wachen und Schlaf, in der das Unterbewusstsein den Geist mit ungefilterten Eindrücken flutet. Einen kurzen Moment lang bin ich zuhause auf meiner Stube. Dann wieder in dem Dorf. Jemand spielt mit meinen Haaren. Ich rieche Regen. Durst. Nichts trinken, nein ... Nicht meine Schuld. Der Hauptfeldwebel lacht. „Ich habe es Ihnen doch gesagt ...". Ich stehe nackt auf dem Exerzierplatz. „Alle Weiber, die zum Militär gehen, lassen irgendwann einen Offz ...
... drüberrutschen." Ich bin so furchtbar wütend! Milad will wissen, warum ich nichts esse. Der Geruch von Regen und Stroh. Die Taliban kommen!
Mit einem heftigen Zucken wache ich wieder auf und hole Luft. Meine Kehle ist staubtrocken. Der Hauptfeldwebel ... Gnh. Ich würde gern weiterschlafen. Doch ich darf nicht, weil, weil ... Dann kommt die Erinnerung. Ein Adrenalinschub.
Ich spitze die Ohren. So tief kann ich nicht geschlafen haben, dass er unbemerkt nach draußen gegangen ist. Aber da sind keine Geräusche mehr. „Sergeant?"
„Hm?"
Ich fahre zusammen. Er steht ganz nah vor mir. Allerdings muss er sich ebenso erschrocken haben, denn ich höre, wie er einen schnellen Schritt rückwärts macht.
„Was?"
Ich habe Durst, aber ich kann ihn nicht um Wasser bitten. Das gibt ihm nur ein Druckmittel an die Hand. „Nichts." Ich schüttle den Kopf. „Wollte nur wissen, ob Sie noch da sind."
Er setzt sich wieder. Nach einigen Minuten ertönt ein Kugelschreiber auf Papier. Aber es klingt nicht nach Schreiben. Ich glaube er zeichnet etwas. Dann legt er den Stift weg und seufzt. Er steht auf und beginnt wieder hin- und herzugehen.
„Wer ist Roya?", fragt er plötzlich.
Unter meinem Stoffsack reiße ich die Lider auf. Scheiße. „Keine Ahnung. Wie kommen Sie darauf?" Sofort läuft mir Schweiß in die Augen und lässt mich blinzeln.
„Du hast vorhin gesprochen. Ich nehme an im Schlaf." Er bleibt stehen. „Roya, lauf weg!"
„Vielleicht hat Siegfried ihn geärgert. Oder die Tiger waren ...