Grober Sand 04
Datum: 14.02.2020,
Kategorien:
Nicht festgelegt,
Autor: byLoreleyColter
... weckt das Maultier auf -- sie müssen wohlhabend sein, sie haben einen Hengst. Sein Huf trifft meine Schläfe.
Als ich wieder zu mir komme, dröhnt mir der Kopf. Das grelle Licht macht es nicht besser. Ich taste nach der Platzwunde und finde Stoffbahnen, die mir um die Stirn gewickelt wurden. Der Versuch, mich aufzurichten, versetzt die Welt in wildes Torkeln. Ich falle leblos zurück ins Stroh.
„Warum warst du allein in der Wüste?"
„Ich hatte lange nichts gegessen, außerdem musste ich zwei Tage zuvor die Bekanntschaft eines kleinen Skorpions machen. Wenn ich nicht an Wasser und Nahrung gekommen wäre, ..."
„... wärst du krepiert. Schon klar." Er bleibt stehen. „Aber warum warst du allein in der Wüste?"
„Das geht Sie nichts an."
Ich erwarte eine Bestrafung für meine frechen Worte, die nicht kommt.
„Das Maultier hat dir also die Lichter ausgetreten. Bist du rechtzeitig wieder aufgewacht?"
„Nein."
Jemand schüttelt mich. Ich öffne die Augen einen Spalt, aber es ist zu anstrengend. Mir wird Wasser an die Lippen gehalten. Ich huste, würge, und erbreche die wenigen Schlucke sofort wieder. Eine raue Stimme begleitet die Fußtritte, mit denen mein Verhalten belohnt wird. Doch er gibt nicht auf. Immer wieder flößt er mir Wasser, Milch oder einen warmen, undefinierbaren Brei ein, bis ich mich nach Tagen endlich selbst aufrecht halten kann.
Sein Name ist Milad. Er ist das Familienoberhaupt, ein unglaublich alt aussehender Mann, der aber wohl nicht weit jenseits ...
... der Vierzig ist. Sein Sohn, Muhammad, hat dafür gesorgt, dass ich nirgendwohin gehe. Schnell muss ich feststellen, dass der Lederriemen um meinen Hals so kunstvoll geflochten ist, dass ich ihn ohne ein Messer nicht loswerde. Die Tiere, mit denen ich von nun an mein Zuhause teile, werden jeden Tag ins Freie geführt. Die Kette, die mein Halsband mit einem Eisenring in der Wand verbindet, lässt mich nicht einmal die Stalltür erreichen.
„Du warst angebunden wie ein Hund?" Er klingt entsetzt. Ich muss lachen, denn meine Zeit im Stall war größtenteils angenehmer als die Situation, in der ich mich jetzt befinde.
„Ja, so könnte man es beschreiben. Es war am Anfang sehr..." Ich schlucke. „... demütigend." Ich schaudere bei dem Gedanken an die ersten Tage an der Kette. Das Gefühl der Scham kehrt einen Augenblick lang zurück. Ich erinnere mich daran, wie ich nachts in völliger Verzweiflung die Füße gegen den Lehm stemmte, an der Kette und dem Ring zerrte. Wie ich mit den Fingernägeln in die Wand zu graben versuchte und sich meine Leine keinen Millimeter bewegte. Ich muss kurz innehalten, bevor ich weitersprechen kann.
Es vergehen einige Tage, bis sie mir verständlich gemacht haben, dass sie mich an die „Aufständischen" verkaufen wollen. Arme Irre. Die werden das ganze Dorf abschlachten und mich dann einfach mitnehmen.
Aber die Taliban kommen nicht. Und die beiden Männer haben wohl auch nicht den Mut, zu ihnen in die Berge zu gehen. Also friste ich meine Tage bei den Ziegen, ...